Zu guter Letzt 10/11: Die Nadel im Heuhaufen

Dass sie schwierig zu finden ist, wissen wir alle, aber wie liegt man in einem Heuhaufen mit einer Nadel? Unproblematisch, meint mancher, sie ist ja so klein und das ‚polstert‘ sich weg. Trotzdem, wenn man Pech hat, kann man sich verletzen. Schwieriger wird die Frage, wenn man unsicher ist, ob es die Nadel überhaupt gibt.

Diese Gedanken gehen mir bei dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofes durch den Kopf, wonach Honig mit einer Kontamination durch Pollen aus gentechnisch veränderten Pflanzen ohne Zulassung nicht verkehrsfähig ist (s. dazu S. 525). Die Gefahren sind zwar gering, für Pollen von noch nicht zugelassenen GV-Pflanzen (z. B. Versuchsmais) besteht jedoch eine Null-Toleranz. Bei Honig mit Pollen aus zugelassenen GV-Pflanzen würde die Toleranz 0,9 % betragen, wobei die Pollen insgesamt als Zutat im Honig gelten, sodass sich die 0,9 % Kontamination auf den Gesamt-Pollen-Gehalt im Honig von nur etwa 0,1 bis 0,5 % bezögen.

Recht geschieht es den Gen-Manipulierern, wird mancher sagen – so besiegt der kleine Honig-David den Goliath Monsanto und Co. So gesehen liegt ein Vorteil dieses neuen Urteils des Europäischen Gerichtshofes zunächst beim Schutz der Verbraucher, die scheinbar keine Gentechnik in Lebensmitteln wollen. Da Deutschland praktisch gentechnikfrei ist, könnte dadurch weiterhin die viel berufene Regionalität der Herkunft für den Honig gefördert werden.

Die Sache hat aber auch zahlreiche Nachteile. Obwohl man die Bienenstöcke, zumindest während der kurzen Zeit der Blüte, entsprechend dem Flugbereich der Bienen, in ausreichendem Abstand von den GV-Pflanzen aufstellen könnte, wird durch das Urteil sicherlich die gentechnische Forschung in Europa noch mehr eingeengt und nach Amerika und in die sog. „Dritte Welt“ verlagert. Der Honig wird vermutlich viel teurer, nicht nur, weil die Testung auf Gentechnik-Freiheit sehr viel kostet, sondern auch, weil Honig-Importe aus dem außereuropäischen Ausland sehr zurückgehen werden.

Es drohen außerdem Gefahren aus dem (neudeutsch) Non-Food-Bereich, da zunehmend auch Gartenpflanzen, z. B. zur Erzeugung von Pilzresistenz oder von neuen Farbenspielen der Blüten, gentechnisch bearbeitet werden. Das zarte und hoffnungsreiche Pflänzchen der Stadt-Imkerei dürfte dadurch möglicherweise zum Erliegen kommen. Wir werden zunehmend von der roten (medizinischen), weißen (Einsatz von z. B. Mikroorganismen in der industriellen Fertigung) und grünen (Nutzpflanzen aus dem Ausland) Gentechnik umzingelt und müssen immer höhere Barrieren zu unserem vermeintlichen ‚Schutz‘ aufbauen. Wie das alles ausgehen wird, weiß keiner.

Es grüßt Sie herzlich

Helmut Erbersdobler

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