Zu guter Letzt 03/13: Pferdekuss
- 13.03.2013
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- Redaktion
Mal ehrlich, wo würden sie Pferdefleisch verstecken, wenn Sie es illegal in die Nahrungskette schleusen wollten? Ja, natürlich, in Sauce Bolognese, in Lasagne und allenfalls Gulasch. Dort ist es unter der Farbe und dem Geschmack von Tomaten, Paprika und Co verborgen und lässt sich fast nur über Gentests nachweisen. So ist es ja auch tatsächlich gewesen.
Die erste Frage ist: „Warum macht man das?“ Da der Kreis der Liebhaber von Pferdefleisch zumindest in den zahlungskräftigen Industriestaaten abnimmt, ist es offensichtlich günstig auf dem Markt verfügbar, wie man liest. Es ist außerdem anscheinend lukrativ, Lebensmittelzutaten über weite Entfernungen und Ländergrenzen zu transportieren . Ob damit auch grenzüberschreitender Steuer- oder Subventionsbetrug stattfand, kann ich von hier aus nicht beurteilen, aber die mafiosen Organisationsstrukturen, die hier zu Tage treten, sind beachtlich.
Zum Zweiten kommt man ins Grübeln über den Stellenwert der Qualität unserer Lebensmittel für Produzenten, Hersteller und Vermarkter. „Wir lieben Lebensmittel“ stellt einer der betroffenen Marktriesen fest. Da fragt man sich, wie erst die Firmen denken, die diese Aussage nicht wagen. Man darf mit Recht vermuten, dass die ins Gerede gekommenen Fertig-Produkte (Lasagne & Co.) grundsätzlich nicht viel wert sind – auch wenn sie kein Pferdefleisch enthalten. An die übrigen Zutaten möchte ich nicht weiter denken.
Drittens: Auch wenn dieser Skandal wieder einmal anderweitig dringend benötigte Untersuchungskapazitäten (s. den Bericht in diesem Heft auf S. M126) bindet, darf man diese kriminellen Aktivitäten nicht ungeahndet lassen. Obwohl keine Lebensgefahr im Verzug ist, bestürzt die grandiose Missachtung, die den Verbrauchern entgegengebracht wird. Die Arglosigkeit der Käufer in Sachen Lebensmittelkennzeichnung und -marketing wird schamlos ausgenutzt. Mit dem Anspruch exklusiv preisgünstig zu sein bewerben einige Supermärkte ihre Discount- Abteilungen und die Verbraucher greifen zu, ohne zu bedenken, dass es oft nur einige Cents sind, die sie sparen.
Diese Abwärtsspirale des Geizes und der Schnäppchensucht stachelt die innovative, ja kriminelle Energie der Lebensmittellieferanten weiter an. Der Handel – auch wenn er diesmal beteuert, dass er das unschuldige Opfer ist – leistet damit diesem unwürdigen Spiel zumindest Vorschub. Insgesamt ist der „Pferdekuss“ – wie im sportlichen Bereich – eine zwar unangenehme aber nicht dauerhafte Episode. Wollen wir nicht hoffen, dass die Aufmerksamkeit für Lebensmittelqualität bald wieder abebbt und der (kriminelle) Alltag wieder eintritt.
Es grüßt Sie herzlich Ihr
Helmut Erbersdobler
Den Artikel finden Sie in Ernährungs Umschau 03/13 auf Seite M184.
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