Editorial 7/2022: Prioritäten richtig setzen

Ein wenig merkwürdig hat es sich schon angefühlt: über 1000 echte Menschen aus ernährungsmedizinischen Berufen bei sommerlichen Temperaturen in Präsenz und geschlossenen Räumen und nicht nur als Online-Bildchen am Monitorrand. Nach langer Corona-Abstinenz fand die „Ernährung 2022“ im Juni nun wieder als reine Präsenzveranstaltung in Bremen statt. Das Motto: Ernährung – Medizin fürs Leben.

Damit positionierten die ausrichtenden Gesellschaften und Verbände DGEM, AKE, GESKES, VDOE und BDEM1 die Ernährung als Dreh- und Angelpunkt medizinischen Handelns – von der Prävention bis zur Therapie. Und sie untermauerten diese Schlüsselrolle zugleich durch gut besetzte Vorträge – von der metabolischen Prägung in den vieles entscheidenden 1000 ersten Lebenstagen über Wechselwirkung von Lebensmittel-Inhaltsstoffen, Mikrobiom und individueller physischer + psychischer Gesundheit bis hin zur Rolle der Ernährung in der Entstehung und/oder für den Therapieerfolg konkreter Erkrankungen.
Gleichwohl steht diese mittlerweile 21. Dreiländertagung der überzeugten ernährungsmedizinischen Akteurinnen und Akteure noch immer in starkem Kontrast zur oft vernachlässigten Rolle, die der Ernährung nach wie vor in unserem Gesundheitssystem zugestanden wird. Typische Fallbeispiele, die auf diesem Kongress geschildert wurden: Ausgebildete Ernährungsfachkräfte, die wegen Personalmangel weg von den PatientInnen ans Speisenverteilband beordert werden, zäher Kampf von Einzelpersonen oder erster bereits etablierter Ernährungsteams um die Implementierung regelmäßiger Ernährungs-Assessments und prozessgeleiteten Handelns bis hin zu angemessenen Abrechnungsmöglichkeiten der Ernährungstherapie zum Wohle der PatientInnen. Die Gefahr besteht, dass die aktuelle (Welt)Politik das Thema Ernährung derzeit nur mit Blick auf Weizenpreise und Handelswege behandelt und die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung angekündigte Ernährungsstrategie zwischen bereits wieder aufploppenden Forderungen zum Verzicht auf ökologische Ausgleichsflächen und Lobby-Gerangel um Tierhaltung, Zuckersteuer usw. zum mut- und wirkungslosen Minimal-„Nonsens“ zerrieben wird.
Hoffen wir daher, dass die Verantwortlichen Zeit finden, einen Blick in das Positionspapier des Bündnisses #ErnährungswendeAnpacken zu werfen. Die 10 Eckpunkte für eine zukunftsweisende Ernährungsstrategie gibt’s zum Download unter: https://t1p.de/gipdc.

Ihr Udo Maid-Kohnert

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1 DGEM = Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin, AKE = Österreichische Arbeitsgemeinschaft Klinische Ernährung, GESKES = Gesellschaft für klinische Ernährung der Schweiz, VDOE = BerufsVerband Oecotrophologie und BDEM = Bundesverband Deutscher Ernährungsmediziner



Dies Editorial finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 7/2022 auf Seite M345.

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