Alimentum ultimum 08/02 (Das letzte Gericht)
- 13.08.2002
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- Redaktion
Johannes
Elviras Rehaugen glänzten feucht. Meine Berliner Cousine rezitierte ihr Lieblingsgedicht aus der Softlan-Poesie der "Verschenktexterin" Kristiane Allert-Wybranietz: "Immer mehr / legen ihre Gefühle / in die Tiefkühltruhe. / Ob sie glauben / dadurch die Haltbarkeit / zu verlängern?" Wenngleich sich da ungerührt der Lebensmittelchemiker in mir zu einem Privatissimum über Tiefkühlkost gedrängt fühlte, hielt ich mich zurück und plauderte, im Small Talk geübt, leichthin über die vergleichbar empfindsame Liebeslyrik des Gelegenheitsschmeichlers Jörg Pfennig, um zu dessen legitimen Nachfolger Hans Kruppa zu wechseln, jenen unverdrossenen zeitgenössischen Skalden mit einem literarischen Kunstwerk von mehr als 50 Gedichtbänden und eigener Homepage, versteht sich.
Hat dieser doch wie kaum einer unserer Kathederweisen das biochemische Prinzip zäher und trockener Fleisch- und Fischspeisen zutiefst verinnerlicht: "Du sagst / du möchtest weicher werden, / du seiest zu hart geworden / in der letzten Zeit. // Hoffentlich nicht zu hart. // Sonst kann ich nicht / so weich sein, / wie ich sein kann." Elvira indes hing daraufhin so rührend an meinen Lippen, dass ich meine erprobte Vorlesung über den Rigor mortis im Allgemeinen und den Taurigor im Besonderen nicht mehr über sie zu bringen vermochte. Ehemann Erwin allerdings scheute das Profane nicht. Mit Hinweis auf, wie er sagte, als gedrucktes Fernsehen kaschierte Printduelle bedauerte er den Mangel an Hofpoeten zu Wahlkampfzeiten. Dicke Zigarren rauchende Barden wie Sasha als Helfer für Gerhard lasse er ebenso wenig gelten wie heimatverbundene Gebirgslerchen für Edmund, sagen wir als Ost- und Quotenfrau Stefanie Hertel.
Also zähmte ich meinen inneren Schweinehund, um mit Marco von Münchhausen meinen ärgsten Feind zum besten Freund zu machen, und ging wieder einmal der Frage nach, wie man sich schlank, gesund und schön halten kann. Kaum hatte ich jedoch die Sprache auf das neue Markert-Erfolgsprogramm gebracht, das nicht nur die Pfunde so purzeln und Abgemagerte für immer schlank bleiben lassen soll, da legte mich Elvira mit der schlichten Frage aufs Kreuz: "Was ist ein Fettbinder für meine Wunschfigur?" Wenn ich das wüsste, gestand ich kleinlaut ein, dann wär’ ich längst schon Millionär und mein Portemonnaie wär’ niemals leer, man möge doch nur an die Beseitigung von Ölteppichen auf den Weltmeeren denken.
Ohne Windelforscher zu sein, sei ich zwar im "Urin-Management" bewandert, spreizte ich mich, und wisse ein bisschen über dort eingesetzte Superabsorber. Mir sei ferner aufgefallen, protzte ich, dass in jüngster Zeit auffallend viele Patente zum "Fäkal-Management" angemeldet worden seien, was in Anbetracht der gewaltigen Bandbreite an Stuhlkompositionen allerdings auch nicht verwunderlich wäre. Aber ein Absorber, der im Magen das Achtfache seines Gewichts an Nahrungsfett an sich binde und dieses unverdaut wieder hinten herauskommen ließe, nein, da musste ich passen. Welcher geneigte Leser hilft mir aus der Klemme, fragt deshalb in ungewohnt verschämter Bescheidenheit. EU08/02