Editorial 08/04: Super Size Me
- 13.08.2004
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- Redaktion
Seit 15. Juli läuft der von dem New Yorker Filmemacher Morgan Spurlock dokumentarisch angelegte Film „Super Size Me“ auch in deutschen Kinos. Der Film zeigt, wie sich der Autor im Selbstversuch 30 Tage lang ausschließlich mit Produkten einer Hamburger-Kette ernährt, dabei täglich 5000 kcal aufnimmt und sich möglichst wenig bewegt. Danach hatte er 25 Pfund zugenommen und Blut- und Leberwerte, die seine Ärzte in Schrecken versetzten . Die Hauptfrage des Films ist, warum sind die Amis so fett und welche Verantwortung haben hierfür die Lebensmittel-Konzerne generell und die Fast-Food-Ketten im Besonderen? Der Film zeigt sehr drastisch, wie „Dickwerden“ geschieht, nämlich durch permanente – hier exzessive – hoch kalorische Ernährung. Da spielt es keine Rolle, ob es sich um leicht verfügbare Kohlenhydrate oder Fette handelt. Das Zuviel ist das Problem. Damit es aber in so kurzer Zeit funktioniert, bedurfte es sicher einer enormen Willenskraft, die Regulations- und Sättigungsmechanismen des Körpers zu überwinden. Außerdem geht so etwas nur mit Mahlzeiten hoher Energiedichte (Kilokalorien pro 100 g), wie sie tatsächlich im Fast-Food-Bereich, aber auch bei vielen Slow-Food-Menüs zu finden sind. Bei üblicher Lebensführung nimmt man sicherlich langsamer zu – kontinuierlich oder auch „in Etappen“. Jeder von uns kennt das Schlemmen an großen Festtagen oder aus geschäftlichen Anlässen. Doch zurück zum Film: Dieser greift in gewollter Überzeichnung und aggressiv den Haupt-Repräsentanten des Fast-Food-Gewerbes an und darüber hinaus die gesamte Lebensmittelwirtschaft. Ohne Frage, der Film macht betroffen und man wird nachdenklich hinsichtlich der persönlichen Lebensführung – mit oder ohne Fast Food. Betroffen fühlt sich auch die Lebensmittelindustrie, die hier ja hauptsächlich verantwortlich gemacht wird. Natürlich entscheidet letztendlich der Verbraucher, aber vielleicht sollte die Fast-Food-Gastronomie sogar „den Ball aufnehmen“ und auf den Film hinweisen mit dem Vermerk: „In diesem Film sehen Sie, wie Sie es nicht machen sollten, nämlich permanent einseitig und zu viel zu essen. Es gibt bei uns auch gesunde Alternativen, die Sie häufiger wählen sollten“. Tatsächlich ist in letzter Zeit in allen Industrieländern bis hin zur Regierungsebene (s. das Editorial in der Juli-Ausgabe) die Notwendigkeit erkannt worden, die rasant zunehmende Epidemie des Übergewichts zu bekämpfen. Über Auswege aus dem Dilemma denken inzwischen auch alle Großen im Ernährungsgeschäft nach, Hersteller, Zulieferer, Fast-Food-Ketten, Caterer etc. Was zu tun ist, ist klar:
- Die günstigen Maxi-Angebote (z.B. 2 Pizzen plus Softdrink zum Preis von 11/2 Normal-Pizzen) müssen abgeschafft werden, Super-Size-Angebote dürfen bei uns erst gar nicht eingeführt werden.
- Die Energiedichte besonders beliebter Produkte muss verringert werden. Ein üblicher „großer“ Hamburger wiegt ca. 250 g und hat 500 kcal. In Zukunft sollte er 300 g wiegen (mehr Salat etc.) und maximal 450 kcal (6 g Fett weniger) enthalten. Dann ist noch Platz für ein gesundes Getränk (z .B. eine Portion fettarmer Milch oder aber ein Mineralwasser) mit einer Portion Früchten als Nachtisch.
- Es sollten noch mehr vollwertige Angebote mit viel Gemüse und Obst angeboten und entsprechend ausgelobt werden.
- Die körperliche Aktivität muss erhöht werden (hierzu gibt es erste Aktivitäten, auch von der Fast-Food-Industrie)
Aber auch an der Wurstbude kann man was tun, z. B. Vollkornbrötchen anbieten. Wir wetten, dass die Thüringer Wurst mit Vollkornbrötchen genau so gerne gegessen wird wie die mit den meist all zu blassen Weißbrötchen. Lassen Sie uns hoffen, dass der Verbraucher dann auch zu den gesunden Alternativen greift. Man muss sie ihm aber auch schmackhaft machen – im wahren Sinne des Wortes. Man sollte dabei nicht zu sehr auf das Attribut „gesund“ setzen, vielmehr auf Lifestyle-Attribute. Hier müssen sich die Werbe-Fachleute etwas Pfiffiges einfallen lassen. Wenn dies gelingt, dann ist der Film trotz seiner eher (auto-)aggressiven und manchmal grotesken Grundtendenz vielleicht sogar hilfreich. Prof. Dr. Helmut F. Erbersdobler Prof. Dr. med. Manfred J. Müller