Editorial 8/2020: Oh W(D)EIA

Seit langem stellen die drei „Crops“ Mais, Weizen und Reis die Nahrungsgrundlage für den größten Teil der Menschheit in den verschiedenen Regionen dieser Welt dar und versorgen uns mit Energie, Protein, Nahrungsfasern und weiteren Nährstoffen. Dank weltweit intensiver Forschung – durch Züchtung neuer Sorten, Bewässerung, Einsatz moderner Landmaschinentechnik und dem Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln – wurde in den vergangenen Jahrzehnten besonders im Getreideanbau eine enorme Effizienzsteigerung erzielt.

Während die globalen Anbauflächen für Getreide nur noch geringfügig ausgedehnt werden konnten, sorgten die stetig gestiegenen Hektarerträge dennoch dafür, dass das globale pro-Kopf-Angebot trotz gewachsener Weltbevölkerung heute höher ist als je zuvor. Und nicht nur das: Die Effizienzsteigerung und Verdoppelung der Hektarerträge führten auch dazu, dass inzwischen reichlich Getreide für die wachsende Fleisch-, Milch- und Eierproduktion zur Verfügung steht.

Weizen ist gegenüber Reis und Mais aufgrund des Glutengehaltes besonders vielseitig verwendbar und führt zu den beliebten, feinporigen lockeren Teigen, z. B. bei der Brotherstellung. Leider kann es aber bei fast allen pflanzlichen Lebensmitteln zu allergischen oder anderen Unverträglichkeitsreaktionen kommen. So vertragen nicht alle Menschen Weizen, Gluten bzw. weitere Weizenproteine gleichermaßen. Während die Zöliakie, die Weizenallergie und -sensitivität schon länger bekannt und diagnostische Verfahren etabliert sind, andere Unverträglichkeiten noch kontrovers diskutiert werden1, wird der weizenabhängigen, anstrengungsinduzierten Anaphylaxie (wheat-dependent exercise-induced anaphylaxis [WDEIA]) erst in jüngerer Zeit eine erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet. Hierbei handelt es sich um eine IgE-vermittelte anaphylaktische Reaktion gegenüber Weizen, die bei sensibilisierten Menschen nach Verzehr von weizenmehlhaltigen Produkten auftritt, wenn dem Verzehr eine mehr oder weniger intensive körperliche Anstrengung folgt. Als Hauptallergene konnten die Weizenproteine ω-5-Gliadin und das HMW-Glutenin identifiziert werden. Claudia Kugler und Christiane Schäfer stellen uns das Krankheitsbild einer WDEIA mit ihren zahlreichen Augmentationsfaktoren und das erforderliche komplexe diagnostische Vorgehen vor (=> ab Seite M487 in diesem Heft).

Zum Glück werden Weizen und Gluten von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung bekanntlich gut vertragen. Wenn aber nicht (und nur dann), ist ein Verzicht auf Weizen und Gluten indiziert. In einem weiteren Beitrag zeigt uns Katharina Goerg, dass es am Markt innovative und geschmacklich attraktive glutenfreie Produkte gibt, z. B. Nudeln aus Hülsenfrüchten oder Pseudogetreide (=>  Beitrag ab Seite S53), die nicht nur von den eher selten vorkommenden WDEIA-PatientInnen begrüßt werden dürften.

Ihr
Helmut Heseker

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1 Beiträge rund um Gluten und Weizenunverträglichkeit in der ERNÄHRUNGS UMSCHAU:
Weizen und Gluten: Technologische und gesundheitliche Aspekte. ERNÄHRUNGS UMSCHAU 8/2016; 166–175
Nicht-Zöliakie-Gluten-/Weizen-Sensitivität (NCGS): ERNÄHRUNGS UMSCHAU 11/2018; M634–M638



Dieses Editorial finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 8/2020 auf Seite M441.

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