Editorial 09/05: Wie oft am Tag?

In der letzten Zeit wurden wir mehrfach und unter Hinweis auf entsprechende „Vorschriften“ der DGE mit der Frage konfrontiert, was günstiger sei, 5 oder doch nur 3 Mahlzeiten am Tag? In der Tat war in den 80er und 90er Jahren ein Mahlzeitenschema mit Frühstück , Zwischenmahlzeit (10%), Mittagessen (30%), Zwischenmahlzeit (10%) und Abendessen (30%) etabliert worden, das fast als Dogma angesehen wurde.

Auch die Empfehlung „Five a day“ wurde (fälschlicherweise) oft mit 5 Mal am Tag Obst und Gemüse übersetzt. In Wirklichkeit heißt es jedoch 5 Portionen pro Tag. Eine Notiz im DGEinfo 2/99, Beratungspraxis, Seite 18, wurde dagegen offensichtlich nicht beachtet. Dort wird unter der Überschrift Mahlzeitenverteilung die Frage formuliert: „Was ist günstiger – drei oder fünf Mahlzeiten am Tag?“ Als Antwort ist zu lesen: „Es gibt keine allgemeingültige Empfehlung. Je nach individuellem Bedürfnis sollte die Nahrungsaufnahme der Leistungsfähigkeit angepasst werden. Als günstig haben sich jedoch mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt erwiesen.“ Diese Aussage wurde in der letzten Zeit immer häufiger in Richtung 3 Mal am Tag variiert.

Neuerdings mehren sich die Hinweise, dass besonders unter dem Aspekt von Übergewicht und Adipositas mit nur 3 Mahlzeiten am Tag leichter Maß zu halten ist. In der renommierten Zeitschrift Lancet erschien kürzlich ein Artikel, der eher für noch weniger als 3 Mahlzeiten täglich plädiert (Mattson MP: The need for controlled studies of the effects of meal frequency on health. Lancet 365 (2005), 1979-1981). Als wissenschaftliche Grundlage hierfür werden zwar im Wesentlichen nur Tierversuche angeführt, aber auch die „Evolutionsgrundlage“ des Menschen ist anscheinend auf den Umgang mit selteneren und unregelmäßigen Nahrungsaufnahmen eingerichtet. Ohne dogmatisch zu werden, kann man wohl heute auf Grund der bisherigen Datenlage Folgendes feststellen:

Menschen sind intermittierende Esser, die Zahl der verzehrten Mahlzeiten ist aber durchaus unterschiedlich. Viele kleine, statt wenige große Mahlzeiten erscheinen im Hinblick auf metabolische Risiken (Blutzucker oder Plasmalipidspiegel) von Vorteil. Andererseits bergen viele Mahlzeiten die Gefahr der Überernährung und können Ursache von Übergewicht sein. Die Beobachtungen sprechen dafür, dass das Körpergewicht im Wesentlichen durch die Gesamtmenge der Kalorien bestimmt wird. Eine hoch kalorische Ernährung ist heute der Hauptrisikofaktor für Morbidität und Mortalität. Es ist allerdings nicht bekannt, inwieweit die Mahlzeitenhäufigkeit die Energieaufnahme bei verschiedenen Menschen (z. B. bei adipösen) beeinflusst.

Andererseits zeigen (tier-)experimentelle Studien, dass die Reduktion der Kalorienaufnahme und vielleicht auch das Weglassen von Mahlzeiten die Morbidität und auch die Lebenserwartung günstig beeinflussen. Diese Ergebnisse sprächen dafür, die Zahl der Mahlzeiten eher zu reduzieren. Obwohl die physiologischen Auswirkungen von so genannten „meal-skipping diets“ bisher nicht ausreichend untersucht worden sind, haben die Anhänger dieser Diäten eher ein normales oder niedrig normales Körpergewicht. Diese Befunde stellen die bisherigen Empfehlungen – viele kleine Mahlzeiten sind besser als wenige große – infrage, weisen aber gleichzeitig darauf hin, dass deren wissenschaftliche Basis unzureichend ist.

Es erscheint deshalb angemessen, unsere Empfehlungen zu überdenken, eventuell moderater zu formulieren und die wissenschaftliche Evidenz zu diesem grundlegenden Aspekt des Ernährungsverhaltens abzuwarten. Wie in dem Artikel erwähnt, führen das National Institute of Aging und das US Department of Agriculture zurzeit eine kontrollierte Cross-over-Studie durch, in der die Kontrollgruppe 3 Mahlzeiten am Tag einnimmt, während die Versuchsgruppe die gesamte Tagesration innerhalb eines Zeitfensters von 4 Stunden am Abend erhält. Auf das Ergebnis dürfen wir gespannt sein. Jedenfalls ist es erstaunlich, dass solch ein Versuch bisher nicht durchgeführt wurde. 

Prof. Dr. Manfred J. Müller                                             Prof. Dr. Helmut Erbersdobler

Das könnte Sie interessieren
Ich weiß, dass ich nichts weiß: Umfrage-Hochs und -Tiefs weiter
Ernährungstherapie bei pädiatrischem Morbus Crohn weiter
German-Nutrition Care Process (G-NCP) – Qualitätssicherung in der Ernährungsberatung weiter
Mangelernährung – ein diätetisches Problem in verschiedenen Settings weiter
Herzlichen Glückwunsch Sektion Hessen – DGE e. V. weiter
Pflanzliche Speisefette und -öle weiter