Zu guter Letzt 02/14: Glaubenskrieger

Quote durch Polemik? Das war mein erster Gedanke, als ich von Bekannten auf einen Eintrag bei jetzt.sueddeutsche.de angesprochen wurde. Unter der Headline „Vegetarier sind auch Mörder“ wird da über einen Shitstorm wütender Vegetarismus-Verfechter berichtet, der den Blogger Felix OLSCHEWSKI zum Abschalten seines Bloggs bewogen habe.1 Dabei habe OLSCHEWSKI lediglich „die These, dass die Kollateralschäden von Gemüseanbau höher sind als die von nachhaltiger Tierzucht […] zugespitzt“.

Nun muss ich mich zunächst als „Noch-Fleischesser“ bekennen, aber das ist schon starker Tobak. Klingt ein wenig, als würde man aus Umweltgründen dem Düsenflugzeug den Vorzug vor dem Fahrrad geben, weil hierdurch pro Streckenkilometer weniger Ameisen zu Schaden kommen und Flugbenzin im Prinzip aus Holzhächsel hergestellt werden könnte. Der Kunstgriff der Argumentation: Äpfel werden mit nicht vorhandenen Birnen verglichen, denn allein der Deutschen Fleischhunger wird eben derzeit nicht ausschließlich durch nachhaltige Tierzucht gestillt. Vom stetig wachsenden Fleischhunger2 der Schwellenländer Editorial auf S. M65 in diesem Heft) ganz zu schweigen.

Nun sind wir es bei vielen gesellschaftlichen Trends ja gewohnt, dass das Pendel ab einer gewissen Zeit in Richtung eines Gegen-Trends umschlägt. Aber sind denn der Anteil und der Einfluss der Vegetarier bereits so groß, dass „Gegenbewegungen“ auf den Plan rücken? In Zeiten, wo der Verfasser dieser Zeilen im Restaurant verschämt einen „Ladies Teller“ bestellen muss, weil er bereits diese 185 g Steak als Herausforderung beim leichten Mittagsmahl ansieht , scheint mir das nicht der Fall. Auch die ERNÄHRUNGS UMSCHAU erhält derzeit noch mehr Pressemeldungen zu Geschmacksprämierungen von Wurst und Kochschinken als solche vom Vegetarierbund.

Also, warum diese Vegetarierschelte? Mir scheint sie ein menschlich verständlicher Verteidigungsreflex auf die teilweise mit religiösem Eifer vorgebrachten ethischen Argumente der Nicht-Fleischesser zu sein. Da schlägt der gescholtene Tier-Esser gegen vermeintliche Gutmenschen zurück. Dies bringt uns in Fragen der Welternährung aber ebenso wenig weiter, wie des Bloggers weitere Haarspaltereien. Da ist dann auch die argumentative Luft schnell raus, wenn für OLSCHEWSKI als Resümé bleibt: „Es gibt keine absolute Wahrheit.

Jeder sollte sich so ernähren, wie es die eigene Umgebung am besten zulässt.“ Nur ist die „eigene Umgebung“ in einer stark bevölkerten Welt mit globalen Abhängigkeiten eben auch die des Mitmenschen in Übersee, dessen Magen knurrt, weil sein Land lieber Tierfutter oder Biomasse für den Export produziert. Eines zeigen die echten Glaubenskriege der Vergangenheit – die Wahrheit und der faire Umgang miteinander bleiben als erstes auf der Strecke.

Ihr Udo Maid-Kohnert

Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 02/14 auf Seite M120.

1 jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/584509/Vegetarier-sind-auch-Moerder
2 Vgl. Erbersdobler H (2013). Tiere essen? Ernährungs Umschau 60(5): M249

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