Nachlese 2/2024: Zahlenspiele und (Denk)blockaden
- 14.02.2024
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- Udo Maid-Kohnert
Ja, da kam ganz schön was zusammen, 5500 Traktoren waren es allein in München. Und wer hat sich da nicht alles mit den Blockaden unserer Landwirt*innen solidarisiert: Die Bayerischen Brauer1, die Spediteur*innen und (warum auch immer) in Karlsruhe sogar ein Bestattungsunternehmen2. Manche haben sich auch – von feuchten Umsturzplänen getrieben – ungebeten dazugesellt. Mittlerweile dienen die bundesweit 2 Mio. Traktoren längst wieder ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch, denn Landwirt*innen müssen in Deutschland am meisten arbeiten: im Schnitt mehr als 48 h/Woche.
Wo wir gerade bei Zahlen sind: Der durchschnittliche Versiegelungsgrad der Siedlungs- und Verkehrsflächen liegt zwischen 36 % (Sachsen) und 50,5 % (Baden-Württemberg). Versiegelung, die auch der schnelleren Fahrt von Spediteur*innen und Übernachtungsplätzen von Brummi-Fahrer*innen und dem Bau von Logistikzentren dient – damit wir alle möglichst schnell und frisch beliefert werden und selbst ohne Tempolimit3 fahren können. Nur dass dann immer weniger Boden für Natur, Wasserkreislauf und Landwirtschaft bleibt. Auch um die „offenen“ Böden steht es nicht gut: In der Europäischen Union gelten mehr als 60 % als geschädigt.4 Und da ist wiederum die Intensiv-Landwirtschaft ein Verursacher.
Noch mehr Zahlen: Laut Ernährungsreport 2023 sind für 80 % der Verbraucher*innen die Haltungsbedingungen der Nutztiere, für 74 % die umwelt- und ressourcenschonende Produktion der Lebensmittel wichtig beim Einkauf; nur für 57 % der Preis.5 Also war der Bauernprotest doch unnötig: Wir könnten gestützt auf diese Daten doch die Dieselsubventionen abschaffen und für Lebensmittel einfach faire Preise ansetzen – und die (nicht nur in Worten, sondern beim Einkauf) auch bezahlen. Die Landwirt*innen würden sicher lieber von ihrer Arbeit, als von Subventionen leben. Eigentlich müssten sie also nicht in Berlin, sondern vor Handelsketten und Supermärkten demonstrieren: „Handelt so, wie ihr in Befragungen antwortet!“
2023 war global das wärmste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn. Wir benötigen einen Sinnes- und Strukturwandel, um wenigstens die Spur einer Chance auf lebenswerte Umweltbedingungen und faires gesellschaftliches Miteinander zu haben. Das klappt nicht mit umweltschädlichen Subventionen. Also gehen wir es ohne Blockaden an!
Ihr Udo Maid-Kohnert
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1 Ja, dort wird nicht gegendert, wo käme man da hin? https://frischeingeschenkt.de/article-detail/2349/bayerns-brauer-solidarisieren-sich-mit-den-protestkundgebungen-der-landwirte
2 www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/karlsruhe/bauernproteste-solidaritaet-mit-den-landwirten-100.html
3 https://background.tagesspiegel.de/energie-klima/tempolimit-120-warum-es-mehrbringt-als-gedacht
4 www.boell.de/de/bodenatlas
5 www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/ernaehrungsreport-2023.html
Den Nachschlag finden Sie wie auch die Vorschau auf die nächste Ausgabe in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 2/2024 auf Seite M120.
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