Nachschlag: Bilderflut

Das Thema Bilddatenbanken – neudeutsch stock photos – wurde an dieser Stelle bereits einmal aufgespießt1. Es beschäftigt uns in der Redaktion jedoch weiterhin täglich.

Waren es vor Jahren noch zaghafte, teils tapsige Schritte, beim Versuch die farbgesättigten und kontrastoptimierten Eyecatcher als Auflockerung in die triste Sachlichkeit der wissenschaftlichen Information einzustreuen (was damals noch zu ärgerlichen Leserzuschriften führte), kommt nun fast kein Print-Beitrag ohne „Aufmacherbild“ und weitere Bildeinsprengsel aus. Lediglich die wissenschaftlichen Hauptartikel des Peer-Review-Verfahrens sind tabu. Noch höher ist der Bilderbedarf, wenn es um die Gestaltung von Website-Meldungen geht und erst Recht in den Social-Media-Kanälen, wenn ohne Aufmacherbild, Memes, animierte gifs oder Video nichts mehr geht.

Das mediale Umfeld, auch außerhalb der fachlichen Lektüre, prägt unser Seh- und Leseverhalten: 8 Seiten Fließtext mit 1–2 Überschriften – tu ich mir das wirklich an? Vielleicht eher, wenn ein passendes Aufmacherbild mich „abholt“! Und da wird es dann schwierig: Kürzlich mussten wir das wieder erleben, als uns aufgrund der aktuellen Themenlage die Recherche in großen Bilddatenbanken die Fotos von Menschen mit Headset (einmal sinnbildlich für Homeoffice, dann wieder für Online-Ernährungsberatung – mal Rat suchend, mal beratend) ausgingen, weil wir alle Motive schon in anderen Artikeln gesehen bzw. selbst verwendet hatten. Tipp an FotografInnen: Auch das Angebot an „ganz natürlichen“ Fotos mit Alltagsmasken ist derzeit noch ausbaufähig.

Was macht die allgegenwärtige Bebilderung mit uns? Wie schätzen wir den Informations- und Wahrheitsgehalt von Meldungen und Artikeln ein, wenn doch die Fotos erklärtermaßen Fake sind? Auch Nachrichtenagenturen beliefern uns teilweise mit „Symbolbildern“ (z. B. rauchen, trinken, Übergewicht, Fastfood) zu Meldungen. In aktuellen Nachrichtensendungen knüppeln an drei Tagen hintereinander dieselben Sicherheitskräfte auf dieselben DemonstrantInnen eines östlichen Krisenlandes ein – immer zu etwas anderem Begleitkommentar. Authentische Information?

Werden die Bilder bald wichtiger als die Textaussagen und ersetzen wir den Text bald durch „Symboltext“, weil die „Bilder für sich sprechen“? Ich hoffe, Sie halten uns, wenn es um Fachinformationen geht, auch bei längeren bildfreien Texten die Treue – dann lohnt sich die Mühe der AutorInnen und der Redaktion!

Ihr Udo Maid-Kohnert

1www.ernaehrungs-umschau.de/print-artikel/15-08-2018-zu-guter-letzt-82018-guck-mal-nur-schoene-leute/



Diesen Artikel finden Sie wie auch die Vorschau auf die nächste Ausgabe in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 10/2020 auf Seite M632.

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