Editorial: Ernährung ist politisch – Ernährungswissenschaft auch?

  • 15.01.2020
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  • Helmut Heseker
  • Helmut F. Erbersdobler
  • Udo Maid-Kohnert

Ernährung spiegelt wie kaum ein anderes Themengebiet gesellschaftliche Zustände und Diskurse, etwa die Verteilung von Wohlstand und Teilhabe oder ethische Debatten um Tierwohl und Fleischverzehr. Ernährung treibt aber auch politische Prozesse an: So sind Preiserhöhungen von Grundnahrungsmitteln nicht selten Auslöser größerer politischer Umbrüche und wirksame Klimapolitik ist ohne Einbeziehung des globalen Ernährungssystems nicht möglich.

Von WissenschaftlerInnen wird eine nüchterne, unvoreingenommene Arbeitsweise erwartet, frei von jeglichem Bias durch die eigene politische Einstellung. Muss also Ernährungswissenschaft unpolitisch sein? Kann sie es sein?

Wohl kaum. Es geht eher um die Kunst, Fragestellungen von politscher Relevanz auf Basis nachprüfbarer Methodik und Daten seriös zu bearbeiten. Die Auswahl des Forschungsobjekts mag politisch sein, die Bearbeitung muss so neutral wie möglich erfolgen, damit auf Basis der Forschungsergebnisse der gesamtgesellschaftliche Diskurs vorangebracht und politische Entscheidungen getroffen werden.

In der ERNÄHRUNGS UMSCHAU erschienen 2019 zahlreiche Arbeiten zu politisch brisanten Themen: Von Untersuchungen zur Wirksamkeit des NutriScore-Kennzeichnungssystems über die Ernährungseinstellungen von Jugendlichen im Justizvollzug bis hin zur Planetary Health Diet reichte das Spektrum.

Unsere redaktionelle Aufgabe liegt in der journalistisch sauberen Trennung zwischen begutachteten wissenschaftlichen Originalarbeiten, die die Vielfalt der Ernährungswissenschaft spiegeln, gut aufbereiteten Übersichtsarbeiten, dem einordnenden Beleuchten aktueller Ernährungstrends und durch namentliche Kennzeichnung deutlich als Meinung erkennbaren Diskussionsbeiträgen in Form von Interviews und Kommentaren. Auf diese Aufgabe freuen wir uns auch 2020.

Prof. Dr. Helmut Heseker
Herausgeber

Prof. Dr. Helmut Erbersdobler
Ehrenherausgeber

Dr. Udo Maid-Kohnert
Redaktionsleitung



Nutrition is political – nutritional science too?

Nutrition reflects social circumstances and discussions like wealth distribution and participation or ethical debate on animal welfare and meat consumption in a way that hardly any other topic area does. But nutrition also powers political processes: price increases of basic foods are not uncommonly the triggers for major political upheaval, and effective environmental policy cannot be implemented without involving the global nutritional system.

Scientists are expected to employ logical and unbiased work methods, free from any bias borne of their own political orientation. So, does nutritional science have to be non-political too? Is this even possible?

Hardly. It is far more the art of handling issues of political relevance legitimately on the basis of verifiable methods and data. The choice of research subject may be political, but the handling has to be as neutral as possible to enable the whole social debate to be driven on by the research results and political decisions made.

In 2019 the journal ERNÄHRUNGS UMSCHAU published many articles on politically controversial topics: these ranged from studies into the effectiveness of the Nutri-Score labelling system and the nutritional attitudes of young people in detention centers to the planetary health diet.

It is our task as editors to ensure clear journalistic differentiation between reviewed original academic research papers reflecting the diversity of nutritional science, well-prepared reviews, instructive classifications of current nutritional trends and contributions to the discussion in the form of interviews and comments clearly recognizable as opinion pieces by specific labeling. We look forward to continuing this task in 2020.

Prof. Dr. Helmut Heseker
Publisher

Prof. Dr. Helmut Erbersdobler
Honorary Publisher

Dr. Udo Maid-Kohnert
Editorial Director

DOI: 10.4455/eu.2020.001



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 1/2020 auf Seite M13.

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