Zu guter Letzt 2/2018: Freiwillige Selbstvernichtung

© mpm Fachmedien
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… den Titel deuten viele jetzt wahrscheinlich als Kommentar zur GroKo, er ist aber – zunächst – gar nicht politisch gemeint. Es geht um Essen und Trinken. Und um uns Verbraucher. Und ist damit letztlich doch wieder politisch.

Manchmal frustriert nämlich die Aufgabe, auf dieser „letzten Seite“ ein Thema locker-flockig und humoristisch aufzuspießen. Denn viele Themen, die sich anbieten, bleiben einem sprichwörtlich im Halse stecken, wenn sie nicht gar Reflux erzeugen. Andere benötigen mehr Text und gelangen so ins Editorial (=> Zuckersteuer und Ampel S. M57) oder mit detaillierten Kommentaren in unsere Rubrik Kurz & bündig (=> Ernährungsreport S. M66). 

Kurz vor der endgültigen Schreibblockade kam dann per Paketdienst in vielen Styroporflocken eingebettet und zusätzlich in stabiler Blister-Packung die journalistische Rettung in Form eines „innovativen Neuzugangs“ zur internationalen Süßwarenmesse. Auf den ersten Blick vermutete ich einen Scherzartikel zur närrischen Jahreszeit: Ein komplettes Fast-Food-Menü im Maßstab 1:1 mit Pommes, Cola und Labber-Burger aus undefinierbarem gummiähnlichem Material. Spontan erinnert mich das giftgrüne 3 mm dicke Salatblatt an die Palmendeko einer Playmobil-Landschaft. Der Blick auf die Zutatenliste zeigt jedoch, dass es sich nicht um Sondermüll, sondern um „Gummi-Bonbons mit Cola- und Fruchtgeschmack, teilweise mit Boden aus Schaumzucker“ handelt. Stolze Nähr“wert“bilanz: Pro 100 g 77 g Kohlenhydrate (davon 51 g Zucker), (nur) 1 g Fett und 5 g Protein (Gelatine1). Das komplette Menü hat 280 g und damit 946 kcal und 142 g Zucker.

Was ist das nun? Die satirische Überhöhung eines in Verruf geratenen ungesunden Fast-Food-Menüs? Oder einwandfrei deklarierter Süßkram und damit ehrlicher als manch übersüßter Durstlöscher und manches Alibi-Zerealien-„Frühstück“? Zumindest wohl Indiz einer trotz Übersättigung nach ständig neuen Daseinsformen von Zucker, Fett und Farbstoffen greifenden Verbraucherschaft.

Und damit sind wir doch wieder bei den oben genannten gesundheitspolitischen Themen: Eine GDA-Kennzeichnung findet sich auf der Packung nicht, dafür hat der Hersteller die Umverpackung (aus freiwilliger Selbstverpflichtung?) komplett in Gelb und Rot gehalten – die Packung gewordene Vorwegnahme einer Lebensmittel-Ampel (das Gelb steht dann wohl für den geringen Fett- und Salzgehalt des Schaumzuckers …)? Vielleicht um dem nächsten mutigen Alleingang eines Bundesministers zum Wohle der Verbraucher nach dem Motto „lieber Selbstverpflichtungs-Reformulierungs-Kreisverkehr als Lebensmittelampel“ zuvorzukommen? So sinniere ich und merke gerade, dass ich gedankenverloren schon die Hälfte der Gelee-Frucht-Pommes aufgeknabbert habe…

Ihr Udo Maid-Kohnert

1 Womit selbst der „reine” Zucker-Burger nicht für Veganer geeignet ist.


Diesen Artikel finden Sie wie die Vorschau auch in Ernährungs Umschau 2/2018 auf Seite M120.

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