Zu guter Letzt 04/2016: Die Strategie der Widersprüchlichkeit
- 15.04.2016
- Print-Artikel
- Helmut Heseker
Der Lebensmittelmarkt ist hart umkämpft, errungene Marktanteile einzelner Bereiche, z. B. für Zucker, Milch, Butter, Margarine, Fleisch, Bier, Erfrischungsgetränke oder Brot, werden mit Zähnen und Klauen verteidigt. Und wenn dann durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder durch einen allzu sorglosen Umgang mit der Lebensmittelsicherheit einzelnen Sparten Gefahren und Umsatzrückgang drohen, dann sind nicht nur schnelle Reaktionen, sondern auch wirksame Strategien angesagt.
Und große Strategen sind sie, die Lobbyisten und Hüter der o. g. Lebensmittelgruppen. Als besonders erfolgreich und universell einsetzbar hat sich dabei die vielfach erprobte „Strategie der Erzeugung von Widerspruch“ erwiesen. Zur Verdeutlichung zwei prägnante Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit:
Als kürzlich WHO bzw. IARC mit einer Pressemeldung auf die Einstufung von roten Fleisch- und Wurstwaren als (potenziell) krebsauslösend hinwiesen, gab es noch am gleichen Tag unzählige abweichende und besser-wissende Pressemeldungen. Bundes- und Landesminister einschlägiger Fachressorts, ja selbst ein Nobelpreisträger, sahen sich genötigt oder wurden genötigt, anderslautende oder sogar gegenteilige Statements „zur Beruhigung“ der verunsicherten Verbraucher/-innen in die Welt zu setzen. Als „Bild“ vor einigen Jahren mit der Schlagzeile „Zucker macht Krebs“ das Sommerloch füllte, kursierten kurze Zeit später in den Printmedien und im Netz „neueste“ wissenschaftliche Erkenntnisse, dass Kohlenhydratmangel bzw. Zuckerentzug depressiv mache. Uns bleibt offenbar nur die Wahl zwischen Pest und Cholera, zwischen Krebsleiden oder suizidalem Strickgebrauch.
Die Konsequenz daraus: Der endgültig und vollends verunsicherte Verbraucher wendet sich bei so viel Widersprüchlichkeit mit Grausen von der Wissenschaft ab … und macht weiter wie gehabt. Mit einfachen Mitteln wurde das Ziel erreicht. Das Ganze funktioniert auch deshalb besonders gut, weil Massenmedien, Talkshows und manche Buchautoren schon lange entdeckt haben, dass widersprüchliche Aussagen einen hohen Unterhaltungswert haben und gut geeignet sind, Auflagen und Zuschauerquoten zu steigern.
Es braucht schon eine gehörige Portion Fachkompetenz und gesunden Menschenverstand, um das böse Spiel zu durchschauen und für die eigene Gesundheit die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Der Verbraucher kann das meist nicht, er resigniert oder folgt esoterischen Heilslehren. Dann ist unsere qualifizierte Beratung gefragt. Dabei kann ein Blick auf den Absender einer widersprüchlichen Nachricht und die Suche nach möglichen Profiteuren derselben durchaus hilfreich sein. Lassen Sie sich nicht verunsichern …
Ihr Helmut Heseker
Den Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 04/16 auf Seite M252.
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