Editorial 4/2024: Hitzige Debatten

Inmitten der Diskussionen und zum Teil hitzigen Debatten um die neuen lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen der DGE, die neun Empfehlungen des Bürgerrates „Ernährung im Wandel“ und eine Regulierung des an Kinder gerichteten Lebensmittelmarketings bin ich auf ein Positivbeispiel gelungener Verhältnisprävention gestoßen. Im Berufsbildungszentrum der Handwerkskammer Koblenz erhalten die Azubis ein gesundes Mittagessen – und zwar kostenlos!1 Für Fastfood hingegen müssen die Lehrlinge zahlen. Dieses Konzept findet Anklang, 80 % der Azubis wählen die gesunde Variante des Mittagessens.

Seit Anfang des Jahres bietet die Handelskammer drei vollwertige, kostenlose Mittagsmenüs zur Auswahl an, zwei davon mit Fleisch, eines ohne. Der Umsatz an der sog. Imbissstation sei in den ersten beiden Monaten um 65 % zurückgegangen. Wie wird das finanziert?
Eine überbetriebliche Ausbildung werde laut Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Koblenz wohl grundsätzlich jeweils zu einem Drittel von Bund, Ländern und den Ausbildungsbetrieben finanziert. Hier wären sich alle einig gewesen, das kostenlose und gesündere Mittagessen, zumindest teilweise, mit einzuschließen. Die weitere Finanzierung erfolge über den allgemeinen Haushalt der Handelskammer. Eine derartige Gesundheitsförderung ist also eine echte Investition in die Zukunft. Diese Formulierung findet sich auch in der ersten Empfehlung des Bürgerrates Ernährung wieder: „Investition in die Zukunft: Kostenfreies Mittagessen für alle Kinder als Schlüssel für Bildungschancen und Gesundheit“. Die Handwerkskammer Koblenz hat es vorgemacht und gezeigt, dass dieser Ansatz eine wichtige Stellschraube im Werkzeugkasten der verhältnispräventiven Maßnahmen ist und bei den Adressat*innen auf Zuspruch stößt.
In diesem Heft haben wir den Bürgerrat Ernährung genauer unter die Lupe genommen und im Interview mit Prof. Melanie Speck ab S. M224 u. a. Fragen zu Zusammenstellung des Bürgerrates, Aufgaben des wissenschaftlichen Beirates und Festlegung der Themengebiete geklärt.
Wenn in Schulen und Kitas gesundheitsförderliche Essumgebungen geschaffen werden, was soll dann außerhalb dieser Bereiche geschehen? Mittels verschiedenster Marketingmaßnahmen sind Kinder in ihrem persönlichen Umfeld jederzeit Essensreizen ausgesetzt – über Außenwerbung, in Fernsehsendungen, in Online-Games, Social Media etc. Wie sieht es mit dem Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung aus? Dieser Frage gehen meine ehemalige Kollegin Stella Glogowski, Philipp Wendt und Peter von Philipsborn in dem Beitrag ab S. M218 nach.

Ich hoffe, die Beiträge in dieser Ausgabe der ERNÄHRUNGS UMSCHAU bieten Ihnen Grundlage und Argumentationshilfen für eventuelle weitere (hitzige) Debatten.

Ihre Caroline Krämer

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1 SWR Aktuell: Kostenloses Essen für Azubis – aber nur, wenn es gesund ist. 14.03.2024. www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/koblenz/gratis-essen-azubis-nur-wenn-es-gesund-ist-angebot-handwerkskammer-koblenz-104.html  (last accessed on 23 March 2024)



Dieses Editorial finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 4/2024 auf Seite M185.

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