Zu guter Letzt 5/2018: Rauschhafte Visionen
- 15.05.2018
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- Dr. Sabine Schmidt
7.5.2021
Ich trinke meinen Cocktail, vor der Kneipe. Es ist Mai, aber mit 12 °C um die Uhrzeit doch frisch. Der ein Bier trinkende Raucher neben mir nickt mir freundlich zu. „Man gewöhnt sich dran“, sagt er und nimmt einen Zug. Alkoholische Getränke dürfen nur noch draußen verzehrt werden.
12.5.2024
Die Konfirmation ist geschafft, es war ein schöner Tag. Die Konfirmierten wurden auf dem örtlichen Spielplatz gesehen, wo sie sich nach dem „Konfi-Rundgang“ abends niedergelassen haben. Auch gesehen wurde, dass zwei Flaschen Hochprozentiges herumgereicht werden. „Woher sie sich das wieder beschafft haben!“ mault meine Freundin – Alkohol ist seit 3 Jahren in Deutschland verboten.
6.7.2020
Die Sonne scheint, der Park ist voll mit picknickenden, auf Decken liegenden jungen Leuten. Fast überall sieht man Kühltaschen mit Bier und Apfelwein, Musik erklingt aus Bluetooth-Lautsprechern, hier und da wird selbstvergessen getanzt, gelacht. Die Joints kreisen, ein süßlicher Dampf hüllt ganze Wiesen ein. Vor 3 Monaten wurde Cannabis freigegeben. Die Jugend feiert.
Wenig realistisch, die ersten drei Szenarien. Aber was sollen wir tun, gegen die „Doppelmoral“ von freiem Alkoholgenuss und verbotenem Hasch, gegen ca. 6 % (!) alkoholabhängige junge Erwachsene1? Obwohl der Alkoholverbrauch in den letzten 20 Jahren und noch viel stärker gegenüber vor 150 Jahren zurückgegangen ist, nimmt die Anzahl alkoholabhängiger junger Menschen jüngst wieder zu. Ein Alkoholverbot wird es in Deutschland trotzdem nicht geben, zu tief ist er in unserer Kultur wie in vielen anderen verwurzelt. Der Rausch lässt sich als Streben nach kontrollfreien Glücksgefühlen deuten, ein Ventil für Menschen aller Gesellschaften und Zeiten, um sich in den ansonsten zu harten oder zu freudlosen Alltag fügen zu können.
Wie beim Rauchen vor ca. 60 Jahren2 mehren sich aber auch beim Alkohol die Erkenntnisse der Wissenschaft, dass es keinen gesunden Genuss gibt. Alkohol in geringen Mengen ist nur „risikoarm“, in großen Mengen lebensgefährlich.
12.8.2019
Die Sommerferien sind vorbei, hessische Schüler/-innen sitzen wieder im Klassenraum. Der Umgang mit Drogen und Suchtverhalten (Alkohol; Gras, Koks und Co.; Spielsucht; Essucht) steht seit diesem Jahr auf den Lehrplänen – im Rahmen eines neu geschaffenen Schuljahres-Abschnittsfachs „Mein Leben“, welches jedes 2. Schuljahr fächerübergreifend für jeweils 2 Wochen ganztägig unterrichtet wird. Lernziel Alkohol: „Die Schüler/-innen verstehen, dass Alkohol in unserem Sozialleben eine Rolle spielt, aber trotzdem ein gefährliches Gift ist. Sie kennen die Gefahr und die Folgen von Alkoholsucht und haben geübt und reflektiert, wie sie persönlich mit alkoholischen Getränken umgehen wollen.
Sie merken schon: Das vierte ist mein Lieblingsszenario.
Ihre Sabine Schmidt
1 IFT (Hg). Epidemiologischer Suchtsurvey 2012
2 Rauchen/Forschung. 22.01.1964. www.spiegel.de/spiegel/print/d-46162828.html
Diesen Artikel finden Sie wie die Vorschau auch in Ernährungs Umschau 5/2018 auf Seite M296.
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