UGB-Tagung: Ernährung aktuell mit attraktivem Programm

  • 15.06.2016
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  • Dr. Sabine Schmidt
  • Dr. Caroline Krämer

Sehr gut besucht zeigte sich die diesjährige Tagung des UGB in der mit über 450 Teilnehmer/- innen randvoll besetzten Aula des Universitätshauptgebäudes der Justus-Liebig-Universität Gießen. Das breit gefächerte Programm bot an zwei Tagen vom 29. bis 30. April 2016 Referent/-innen und Themen aus ganz verschiedenen Fachrichtungen.

Einen aufgelockerten Einstieg in die Tagung bot der freie Journalist Hajo Schumacher mit einem amüsant-informativen Überblick über Möglichkeiten, unsere „Restlaufzeit“ – seine Umschreibung des Alterns – in Deutschland gut zu verbringen. Er stellte interessante Wohn- und Lebensraumprojekte für ältere Menschen vor, die er für ein Buchprojekt zum Thema besucht hatte.

Ihm folgte am ersten Tag Prof. Michael Boschmann von der Charité Berlin mit einem sehr anschaulichen Vortrag über die bisher bekannten zirkadianen Rhythmen unseres Körpers. 10–15 % unserer Gene werden ihm zufolge durch Biorhythmen beeinflusst, verantwortlich für die Rhythmik ist der Nucleus suprachiasmaticus im Gehirn. Viele Hormone unterlägen einer täglichen Rhythmik, darunter Insulin, Glukagon, Adiponectin, Corticosteron, Leptin und Ghrelin.

Dass intermittierendes Fasten positive Auswirkungen auf den Stoffwechsel habe, führte er bereits an. Später wurde diese Thematik durch Dr. Rainer Stange, Facharzt für Innere Medizin und Leiter der Abteilung für Naturheilverfahren am Immanuel Krankenhaus in Berlin, genauer ausgeführt. Stange erläuterte, dass neben dem konventionellen Fasten das sog. intermittierende Fasten eine Maßnahme sei, die aktuell viel Aufmerksamkeit der Forschung auf sich zöge. Bei dieser Art zu fasten wird jeweils nur zwischen 16 Stunden und 2 Tagen keine oder nur ein Minimum an Energie aufgenommen, dies dafür regelmäßig. Er nannte als positive physiologische Effekte intermittierenden Fastens die Erhöhung der Insulinsensitivität, die Abnahme abdominellen Fetts, ein günstiges, anti-atherogenes Lipidmuster und eine Senkung der Inflammationsmarker im Serum. Die Forschungslage zu einem positiven gesundheitlichen Effekt sei vielversprechend, die Erfahrungen mit Patienten sehr gut. Auf Nachfrage aus dem Publikum, warum gesunden Menschen, die sich wohlfühlten, zum Fasten geraten werden sollte, betonte Stange, dass niemand zum Fasten gedrängt werden müsse, dieses jedoch für Menschen, die dazu bereit wären, einen Nutzen bringen würde.

Einen zweiten Vortrag hielt Prof. Stange zu möglichen Effekten der Ernährung auf die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS). Als chronisch entzündliche Krankheit gälten für die MS die gleichen Regeln wie für andere chronisch entzündliche Krankheiten: Günstig wirke sich eine antiinflammatorische Ernährung aus, die weniger tierisches Protein, dafür mehr sekundäre Pflanzenstoffe und evtl. auch mehr n-3-Fettsäuren enthalten solle. Wissenschaftliche Nachweise für die Wirkung gerade von n-3-Fettsäuren gebe es allerdings zurzeit nicht. Dass ein Vitamin-D-Mangel ein Risikofaktor für den Ausbruch der genetisch veranlagten MS ist, darüber bestehe in der Forschung Einigkeit, als Supplement bei bereits begonnenem Krankheitsgeschehen helfe Vitamin D dagegen nach aktuellen Erkenntnissen nicht.

Dass es in der Medizin „Placebo- Effekte“ gibt, ist hinreichend bekannt. Dass die Placebo- Wirkung oft größer ist als der pharmakologische Effekt des eingesetzten Präparates, wurde von Prof. Paul Enck, Forschungsleiter der Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen eindrucksvoll gezeigt. Er stellte eine Reihe von Studien zur Wirkung von Placebos in der Medizin vor – u. a. eine erfolgreiche „scheinchirurgische“ Studie und Studien bei psychisch beeinflussten Krankheiten – und konstatierte die nachgewiesene Existenz einer „Neurobiologie der Einbildung“. Ein vom Patienten erwarteter Effekt führt demnach nicht nur in vielen Fällen zu einer besseren subjektiven Schmerzverarbeitung, sondern kann auch biologische Parameter verbessern. Der Placebo-Effekt sei weiterhin eine „Funktion der Arzt-Patient-Beziehung“ – ein empathischer Arzt bewirke allein durch die Art seiner Zuwendung nachweisbare therapeutische Effekte. Selbst in der Physio- und Ernährungstherapie seien interessante Placebo-Effekte möglich und nachzuweisen, allerdings sei die Studienkonzeption hier schwieriger.

Schlagen Frauenherzen wirklich anders? Dr. Birgit-Christiane Zyriax beantwortete diese Frage klar mit „ja“ und betonte die Wichtigkeit einer ausgewogenen, vollwertigen Ernährung in Kombination mit erhöhter sportlicher Aktivität, insbesondere für Frauen nach der Menopause. Dr. Stefanie Gerlach hob in ihrem Vortrag die Wichtigkeit verhältnispräventiver Maßnahmen zur Prävention von Übergewicht und dessen Folgeerkrankungen in der deutschen Bevölkerung hervor. Hierbei bezog sie Stellung zum neuen, seit Januar 2016 in Kraft getretenen Präventionsgesetz zur Vermeidung und Vorbeugung lebensmittelbedingter chronischer Krankheiten und zur Nationalen Reduktionsstrategie 2016 der Bundesregierung (=> Beitrag Nationale Reduktionsstrategie 2016 – Positionspapier von DiabetesDE in Ernährungs Umschau 4/2016).

Eine Reihe weiterer Vorträge widmete sich eher nährstoff- und lebensmittelbezogenen Themen: Prof. Claus Leitzmann gab ein Update zum Thema Protein, welches er mit der Feststellung schloss, dass es heutzutage um das Vermeiden einer übermäßigen Proteinzufuhr und eine sinnvolle Kombination überwiegend pflanzlicher Proteinquellen gehe.

Dem Thema Superfoods widmete sich Johanna Feichtinger, Dozentin an der UGB-Akademie. Fazit des Vortrags, in dem einige exotische und einheimische Superfoods vorgestellt und bewertet wurden, war, dass Superfoods zwar Abwechslung in den Speiseplan bringen, eine vielfältige und vollwertige Ernährung unter Verwendung einheimischer „Superfoods“ (bspw. Grünkohl, Zwiebeln, Äpfel, Knoblauch) aber vorzuziehen sei.

Anstoß zum Nachdenken gaben zwei Referenten, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen: Claudio Beretta von der ETH Zürich erläuterte zum Thema Lebensmittelverschwendung u. a., dass Lebensmittel zum größten Teil bei den Privathaushalten verloren gehen und deshalb bei den Endkonsumenten der größte Handlungsbedarf und die größte Verantwortung liegen. Dr. Markus Kell er gab einen interessanten Überblick über Flugimporte nach Deutschland im Bereich Lebensmittel u. a. mit der Feststellung, dass einem Mengenanteil der Luftfracht an Lebensmittelimporten von 0,5 % ein Anteil klimarelevanter Emissionen von 14 % gegenüberstehe (über dieses Thema werden wir demnächst in der Ernährungs Umschau berichten).

Zum Abschluss der Tagung stellte Dr. Stephanie Hoy in einem ungewöhnlichen Ansatz die Vorteile einer theaterpädagogisch gestützten Ernährungsberatung vor (=> S. M323 in diesem Heft).

Fazit: Der UGB präsentierte sich mit einem attraktiven Programm und überwiegend guten Referent/-innen mit nicht nur Mainstream-Themen, das Ganze in einem stimmigen Rahmen inkl. Vollwert-Verpflegung und Kongressgymnastik – zwei interessante Tage auch für Pressevertreter/-innen.

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