Zu guter Letzt 08/14: Es geht um die Wurst
- 15.08.2014
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- Redaktion
Haben sie es mitbekommen? Es gab einen neuen Lebensmittelskandal! Nein – keine Sorge, Sie haben in den letzten Wochen nicht vom WM-Fieber abgelenkt als Currywurst deklarierte Seegurke verschlungen. Auch das Schinkensandwich an der Tankstelle nach dem Endspiel-euphorischen Autokorso war möglicherweise mit echtem Schinken belegt. Alles echt – nur eben viel zu teuer. Denn es gab ein „Wurstkartell“.
Unvorstellbar: Die Wursthersteller, die wir alle aus den ländlich-lustigen Fernsehspots kennen, besingen gar nicht ständig in fröhlicher Runde und karierten Hemden unter Windmühlenflügeln oder vor dem reetgedeckten Bauernhof die Güte ihrer Wurstwaren. Nein, sie kommen heimlich zu konspirativen Treffen zusammen und treiben den Wurstpreis in schwindelerregende Höhen, nur zeitweise getoppt von steigenden Benzinpreisen. Oder läuft so etwas über tote Briefkästen, verschlüsselte E-Mails, Satellitentelefone mit Sprachverzerrer? Nun, das muss das Kartellamt klären, der juristische Widerspruch der Beklagten regt sich ja bereits.
Doch halt, keine voreilige Industrie-Schelte. Das wäre wirklich einseitig und zu einfach. Wir sollten den beklagten Firmen doch eigentlich dankbar sein: Haben sie doch seit Jahren auf die missliche Lage in der Fleischbranche hingewiesen; für Preise teilweise unter dem Niveau von Tierfutter sollen die Schweine in Rekordzeit gemästet, getötet, zerlegt, gekuttert und als Brät in den Natur- oder Kunstdarm gefüllt werden; dann – ob gebrüht oder geräuchert – in kostenintensiven Fernseh-Spots und Internet-Auftritten als heimeliges Naturprodukt beworben und zu Discountpreisen in den Einkaufskorb gelangen?
Das soll klappen, ohne dass irgendwo Lohndumping oder Tiertransporte ohne Klimaanlage eingeplant werden müssen? Sie sind doch sonst nicht so naiv! Das ging einfach nicht so weiter. Vermutlich nur deshalb startete man den heimlichen und leider von keiner Ethik-Kommission genehmigten Feldversuch zur einvernehmlichen Preisgestaltung. Vielleicht berichten wir demnächst in der Ernährungs Umschau im Wissenschaftsteil unter folgendem Titel: Austestung der Verbraucher-Preisakzeptanz für tierische Produkte anhand von verdeckten Preisabsprachen – Potenzial für eine artgerechtere Tierhaltung und faire Löhne in der Landwirtschaft und Fleischzerlegebetrieben.
Das Kartell ist mutig vorgeprescht und hat gezeigt, dass höhere Preise für Fleisch und Wurstwaren durchzusetzen sind, ohne dass halb Deutschland zum Vegetarismus konvertiert. Jetzt müssten die Mehrerlöse nur richtig verteilt werden. Endlich ein mutiger Vorstoß gegen die fatale Abwärtsspirale der Lebensmittelpreise in Deutschland. Lassen Sie sich´s mal auf der Zunge zergehen!
Ihr
Udo Maid-Kohnert
Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 08/14 auf Seite M464.
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