Zu guter Letzt 09/09: Gar nicht so einfach!

Wir schreiben nun bereits eine Weile 2009 und feiern mit dem Darwin-Jahr den Begründer der Evolutionstheorie. Seine Überlegungen haben in der modernen Molekulargenetik eine Unmenge von Belegen gefunden. Die Vorstellungen seines Kontrahenten LAMARCK zur Vererbung erworbener Eigenschaften als Motor der Artenvielfalt (Lamarckismus) galten damit als widerlegt.

Seit Mitte des vorigen Jahrhunderts haben die Molekulargenetiker das Schritttempo u. a. der medizinischen Forschung bestimmt. Mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms schien alles erklärbar und damit teilweise auch prognostizierbar. Auch die Ernährungsforschung setzt auf den Erkenntniszuwachs molekulargenetischer Methoden und spürt sogleich schmerzhaft die „Grenzen der Erkenntnis“. So wird – vor allem in der verkürzten Darstellung der Tagespresse – dann von einem neu identifizierten Genotyp (z. B. Mutation im adipositas-assoziierten Gen „xy“) gerne schnell auf den Phänoptyp (Ausprägung des Merkmals „XY“ = Übergewicht) geschlossen. Als gäbe es die genetischen Phänomene der Pleiotropie (ein Gen beeinflusst mehrere Merkmale) und der Polygenie (ein Merkmal wird durch mehrere Gene beeinflusst) nicht.

Selbst die Frage „was ist ein Merkmal“ ist nicht immer leicht zu beantworten, wie der Beitrag ab S. 514 in diesem Heft zeigt. Auch in Ihrer Funktion bekannte Gene führen nicht immer zur Ausprägung der Merkmale: Es kommt eben darauf an, ob bzw. wann und in welchem physiologischen Kontext diese Gene überhaupt aktiviert werden (differenzielle Genexpression). Und das kann auch durch die Umwelt beeinflusst werden. Als ob dies alles nicht schon schwierig genug wäre, sind in unserem komplexen Organismus auch noch sich überlagernde Wechselwirkungen aller Einflussgrößen mit ihrer zeitlichen Abfolge zu berücksichtigen – z. B. Genotyp, Prägung/Programmierung (hungerten oder schwelgten die Großeltern/Eltern im Zeitraum der Zeugung), Umwelteinflüsse und bereits ergriffene Präventionsmaßnahmen (geplante oder bereits durchgeführte Diät, geändertes Bewegungsverhalten).

Auch ein noch so ambitioniertes Screening vermag wohl kaum all diese Faktoren und ihre Wirkmuster zu erfassen. Dies schränkt die Vorhersagbarkeit unserer individuellen Gesundheitsbiografie doch erheblich ein. Nicht ohne Grund werden für anspruchsvolle genetische Fragestellungen ähnlich leistungsfähige Supercomputer eingesetzt wie für Klimasimulationen oder Wetterprognosen. Die Beiträge in diesem Heft zum Trend- Forschungsgebiet Perinatale Programmierung und zur Frage nach dem adipösen Genotyp beleuchten die Frage nach dem Weg „Vom Gen zum Phän“ aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Vielleicht kommt nach Epi-Genetik bald eine Superoder Meta-Genetik! Oder sollte man schlicht den Begriff Genetik weiter fassen?

Dr. Udo Maid-Kohnert, Pohlheim

Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 09/09 auf Seite 544.

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