Nudging in der Mensa

  • 15.10.2018
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  • Gertrud Winkler
  • Barbara Berger
  • Birgit Filipiak-Pittroff
  • Angela Hartmann
  • Agnes Streber

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Lässt sich eine gesundheitsförderliche Lebensmittelauswahl fördern?

Einleitung

Die Interventionsansätze zur Beeinflussung des Ernährungsverhaltens reichen von weichen Instrumenten zur Entscheidungsunterstützung, z. B. durch Information und Labeling, bis zu harten Instrumenten der Entscheidungslenkung, z. B. durch ökonomische Maßnahmen oder Restriktionen im Angebot. Sowohl die informationsvermittelnden als auch die ökonomischen Maßnahmen zielen überwiegend auf bewusste Entscheidungen ab und können daher nur eine beschränkte Wirkung auf das stark gewohnheitsmäßige und damit schwer veränderbare Ernährungsverhalten haben [1]. Der neuere Ansatz der „sanften“ Entscheidungslenkung (als Nudging von to nudge = sanft anstupsen oder synonym als choice architecture bezeichnet) lenkt das Ernährungsverhalten in die gewünschte Richtung, indem er vorrangig Automatismen anspricht [1–5].

In Settings der Gemeinschaftsgastronomie verfolgt Nudging das Ziel, ohne Zwang, Verbote und Einschränkungen im Angebot bzw. Sortiment das Speisenauswahlverhalten der Essensgäste zu verbessern. Dazu bietet sich eine Vielzahl von Nudges an, darunter die attraktivere Gestaltung der Umgebungsbedingungen gesundheitsförderlicher Speisen, das Angebot eines Zusatznutzens bei der Wahl gesundheitsförderlicher Speisen, eine bevorzugte bzw. besondere Auslobung und Kennzeichnung gesundheitsförderlicher Speisen, die attraktivere Präsentation, bessere Verfügbarkeit, bessere Sichtbarkeit und bequemere Erreichbarkeit gesundheitsförderlicher Speisen sowie die unaufdringliche Unterstützung durch gezielte Hinweisreize und Verhaltenshilfen [6]. Diese Umgestaltungen des psychischen, sozialen und physischen Umfelds können typischerweise mit wenig Aufwand und einfachen Mitteln im Bereich der Speisenausgabe verwirklicht werden, wo die Essensgäste eine gesündere oder auch nachhaltigere Auswahl treffen sollen.

Abstract

Nudging zielt darauf ab, Menschen ohne Zwang dazu zu bewegen, ein vorteilhafteres Verhalten zu tätigen. In der Gemeinschaftsgastronomie können u. a. eine bessere Verfügbarkeit, Sichtbarkeit und Erreichbarkeit gesundheitsförderlicher Speisen als sog. Nudges helfen, das Auswahlverhalten in Richtung einer gesundheitsförderlicheren Lebensmittelauswahl zu verschieben. In einer Hochschul- und einer Schulmensa wurde untersucht, ob einfache Nudges die Auswahl gesundheitsförderlicher Speisen und Getränke bei den Essensgästen tatsächlich fördern. Dazu wurde in einem Pretest-Posttest-Design u. a. erhoben, ob sich durch Nudging der Anteil der veganen bzw. vegetarischen Hauptspeise, von Obst als Dessert, von Vollkornsnacks sowie von Wasser als Getränk kurz-, mittel- und langfristig erhöht. Einfache Nudges führten in der Hochschulmensa sowohl bei Studierenden als auch bei Bediensteten in allen drei Post-Test-Phasen zu deutlichen Verhaltensänderungen in die gewünschte Richtung. In der Schulmensa ergab sich ein uneinheitlicheres Muster. Insgesamt zeigte sich, dass Nudging ein aussichtsreicher Ansatz ist, der traditionelle Interventionsansätze ergänzt und daher weiterverfolgt werden sollte.

Schlüsselwörter: Nudging, choice architecture, Gemeinschaftsgastronomie, healthy choice, Ernährungsverhalten



Peer-reviewed | Manuscript received: February 26, 2018 | Revision accepted: June 05, 2018

Small changes in choice architecture in self-service cafeterias

Do they nudge consumers towards healthier food choices?

Abstract

The aim of nudging is to casually influence people to choose more beneficial behaviors of their own free will. In the context of mass catering, “nudging” by improving the availability, visibility, and accessibility of healthy meals could help shift people towards healthier food choices. A study was conducted in a university cafeteria and in a school cafeteria to investigate whether simple nudges really do encourage healthier food and drink choices among diners. Using a pre-test/post-test design, this study investigated, among other things, whether nudging increased the proportion of vegan or vegetarian mains, of fruit as a dessert, of wholegrain snacks, and of water as a drink in the short-, medium-, and long-term. Simple nudges in the university cafeteria led to marked changes in behavior in the desired direction among both students and staff in all three post-test phases. The school cafeteria results were less consistent. Overall, the study showed that nudging is a promising approach and a useful addition to traditional interventions, and it should therefore be pursued further.

Keywords: nudging, choice architecture, school and university cafeteria, lunchroom, healthy choice, dietary behaviors

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Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 10/18 von Seite M546 bis M554.

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