Gast-Editorial 10/2109: Ernährungsrisiko im Krankenhaus und Pflegeheim: Nicht weiter wegschauen!
- 15.10.2019
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- Johann Ockenga
Erstmalig wurden die umfangreichen deutschen Daten aus dem weltweiten nutritionDay Projekt zur Prävalenz von Mangelernährung bei 11 595 KrankenhauspatientInnen und 5 336 PflegeheimbewohnerInnen sowie zu bestehenden Versorgungsstrukturen in Deutschland aus den Jahren 2006–2018 ausgewertet; der nutritionDay 2018 war zuvor in ganz Deutschland intensiv beworben worden.
Auch 13 Jahre nach der ersten German Hospital Malnutrition Study1 belegt der jetzige Bericht, dass weiterhin große Anteile von PatientInnen im Krankenhaus und BewohnerInnen von Pflegeheimen ein hohes Risiko für eine Mangelernährung haben bzw. mangelernährt sind. Besonders besorgniserregend ist ferner, dass über den Untersuchungszeitraum eine tendenzielle Verschlechterung der ernährungsmedizinischen Strukturen, z. B. mit Blick auf den Einsatz einer Diätassistenz, zu beobachten ist.
Dass ein Screening auf Mangelernährung und eine gezielte ernährungstherapeutische Intervention einen relevanten klinischen Vorteil erbringen, wurde erst kürzlich eindrücklich in der EFFFORT Studie2 an 2 088 internistischen PatientInnen gezeigt. Eine Ernährungsintervention bei RisikopatientInnen führte zu einer signifikanten Reduktion der Mortalität (-35 %), einem geringeren Funktionsverlust (-48 %) sowie zu einer Besserung der Lebensqualität nach 30 Tagen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, PatientInnen und PflegeheimbewohnerInnen bei Gefahr oder bereits vorliegender Mangelernährung in einem frühen Stadium zu identifizieren und zu therapieren, um so negative Auswirkungen zu vermeiden.
Um die dafür notwendigen Veränderungen im jetzigen Gesundheitssystem zu erreichen, ist eine entsprechende gesellschaftliche, politische und letztendlich auch mediale Wahrnehmung notwendig. Das jetzige Kapitel zum nutritionDay im DGE-Ernährungsbericht ist hierzu ein wichtiger Schritt, insbesondere um das Thema einer adäquaten ernährungsmedizinischen Versorgung bei den gesundheitspolitischen Entscheidungsträgern zu platzieren.
Aber auch hier gilt: ‚Nach dem Spiel ist vor dem Spiel‘: Damit wir auch in Zukunft unserem Anliegen mit konkreten Zahlen Nachdruck verleihen können, brauchen wir weiterhin Ihre aktive Mithilfe und möglichst viele TeilnehmerInnen am nutritionDay 2019. Motivieren Sie daher Ihre Einrichtung und Ihre KollegInnen und machen sie mit beim nutritionDay 2019 am 7. November 2019!
Weitere Informationen unter www.nutritionday.org/de/
Prof. Dr. med. Johann Ockenga
Past Präsident der
Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) e. V.
Klinikdirektor Medizinische Klinik II m. S.
Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährungsmedizin
Klinikum Bremen Mitte
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1 Pirlich M et al. (2006) The German hospital malnutrition study. Clin Nutr 25(4): 563–572
2 Schuetz P et al. (2019) Individualised nutritional support in medical inpatients at nutritional risk: a randomised clinical trial. Lancet 393(10188): 2312–2321; vgl. auch Ernährungs Umschau 6/2019 S. M319
Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 10/2019 auf Seite M569.