Zu guter Letzt 11/2016: Bücherherbst

Wollten Sie auch schon lange einmal auf die Buchmesse? Ich habe mich dieses Jahr für Sie geopfert und mich am ersten Besuchertag durch die Gänge der Messehallen gequetscht. Zunächst die frohe Botschaft für Buchliebhaber: Keiner liest mehr ein Buch? Quatsch, überzeugen Sie sich selbst im nächsten Jahr, eingekeilt zwischen Autoren-Signierstunde- Schlangen und unzähligen Verlagsständen. Nicht nur der E-Book-Markt wächst – mit den hunderttausenden Büchern allein an den Buchmesseständen könnte man den Main aufstauen. Zumindest der Buchkommerz läuft rund.

Was tut sich aber auf dem Markt der Ernährungsbücher? Strukturell nichts anderes als schon vor 20 Jahren: Die Ernährungshypes finden sich überall in großen, reißerischen Lettern: LOW CARB, DETOX, VEGGIE, SMOOTHIES und ihre Freunde begegnen mir auf Schritt und Tritt. „Bavarian Detox“ (ganz in weißblau), „Detox ganz grün“ und „Zucker-Detox: Zucker-Entgiftung für Anfänger“ stechen ins Auge. Die Autoren der Low-(oder schon „No-“) Carb-Lobby sind weiterhin ganz vorne dabei: Nach der „Weizenwampe“ und „Dumm wie Brot“ lesen wir dieses Jahr „Forever schlank – no carb“ oder „Forever young – Geheimnis Eiweiß“, deren Autor allein dieses Jahr 6 Bücher veröffentlicht hat und nebenbei einen Online-Shop für Eiweißprodukte betreibt …

Seit vorletztem Heft kennen Sie ja auch „Beautyfood“ – und auch der Schönheitstrend hält an: „I make you sexy!“ verspricht ein Promi mit neuem Kochbuch zu seinem selbst erfundenen Diätprogramm, „Oh she glows!“ verspricht Strahlkraft (nur?) für Frauen. Apropos sexy: „Jagen, Sex und Tiere essen. Ethik für Fleischfresser“ schlägt männliche Bedürfnisse und den (schwächer werdenden) Paleo-Trend mit einer Klappe.

Amüsant sind auch die Buchrückseiten: Ob mit „Carb Intelligence“ die schlimmen Carbs austricksen, gegen die „übersteigerte Tierliebe“ angehen, die „Schlacht am Kühlschrank gewinnen“, sich „fit, schlank und sexy kochen“ – Laien-Autoren überschwemmen Ratsuchende mit ihren erfolgreichen Selbstversuchen, nachdem sie „sich im Selbststudium tief in diverse Ernährungswissenschaften eingelesen“ haben. Es gruselt mich an dieser Stelle und ich heitere mich auf mit „Schlank mit Darm“ (geht’s auch ohne?) und „Koch dich krass!“ (mega, Digga!). Zuhause mache ich mir vielleicht „grüne Soupies“, die schmecken mir bestimmt (sind doch Suppen gemeint, oder?), und denke darüber nach, wie wirkliche Ernährungsfachleute medienwirksamer tätig werden können, um wieder ernster genommen zu werden und um mehr Menschen davon zu überzeugen, kein Geld für selbstgestrickte Heilsbücher zu verschwenden. Erste Ideen dazu habe ich schon.

Ihre Sabine Schmidt



Den Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 11/16 auf Seite M676.

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