Editorial 03/09: Der Stein der Weisen?
- 16.03.2009
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Prof. Dr. Helmut
Erbersdobler, HerausgeberIn der Geschichte der funktionellen Lebensmittel trat nach erster – vielleicht übermäßiger – Euphorie vorübergehend Ernüchterung ein. Viele der postulierten Wirkungen können noch nicht eindeutig definierten Inhaltsstoffen von Lebensmitteln zugeordnet werden. Außerdem haben sich viele Effekte aus Zellkultur-Versuchen bislang nicht in vivo bestätigt.
Natürlich gibt es bereits einige gesicherte Wirkungen – etwa bei den Probiotika, den n-3-Fettsäuren und den Phytosterolen. Bei vielen Nährstoffen wie Vitaminen, Mineralstoffen oder Fettsäuren erscheint die gesicherte Zufuhr in der empfohlenen Menge auch präventiv wirksam. Aber die Losung: „viel hilft viel“ erweist sich immer mehr als unrichtig, wenn nicht sogar als schädlich.
Die Hoffnungsträger, wie ich sie einmal nannte, gibt es als solche immer noch. Erwähnt seien u. a. die Carotinoide Lycopin, Lutein und Zeaxanthin, die Polyphenole Quercetin, Epigallo-Catechin, Genistein, Curcumin und Resveratrol, ferner die Isothiocyanate wie Sulforaphan. Bei einigen ist man kurz vor dem Durchbruch. Aber die Mühlen entsprechender Interventionsversuche und Humanstudien mahlen langsam und sind teuer! Dies gilt auch für die Gesetzgeber in Berlin und Brüssel, wie die Beiträge auf den Seiten 165 ff. und 168 ff. zeigen.
Müssen wir verzweifeln? Ich meine nein. Wie schon oft betont, müssen wir nicht alles auf den Stein der Weisen reduzieren. Es gibt Gruppenwirkungen, die bereits weitgehend bestätigt sind, und es muss auch nicht alles mit überzeugender Evidenz gesichert sein. Eine wahrscheinliche Wirksamkeit reicht auch für eine Empfehlung, wenn keine Nachteile der Anwendung zu erwarten sind.
Außerdem wissen wir inzwischen schon wirklich viel über die Wege und Mechanismen der Funktional-Food-Wirkung, über Bioverfügbarkeit, Aktivierung und Deaktivierung im Organismus und vieles mehr. Auch die epidemiologischen Befunde werden sich vor dem Hintergrund von Nutrigenomik etc. demnächst besser fokussieren lassen. Eine neue Richtung, die auch für Funktional Food bedeutsam wird, ist die Ernährungs- Epigenetik .
So beeinflussen Nährstoffe wie Vitamin B12, Folsäure oder Inhaltsstoffe des Grünen Tees das An- und Abschalten von Genen und helfen, positiv wirksame körpereigene Stoffe zu aktivieren. Vielleicht ist das der Mechanismus, der bestimmte Wirkungen besser erklärt als bisher. Wir werden zu gegebener Zeit weiter darüber berichten.
Herzlichst, Ihr
Helmut Erbersdobler