Zur Molekularisierung der Ernährungsforschung (Peer-Review-Beitrag)

Was heißt und zu welchem Ende treibt man Ernährungswissenschaft?1
Teil 1: Der wissenschaftliche Status quo der Ernährungswissenschaft

Alexander Ströhle, Frank Döring, Kiel

Ist Ernährungswissenschaft eine Grundlagenwissenschaft
oder eine angewandte Wissenschaft? Die Beantwortung
der Frage ergibt sich nicht nur aus der Perspektive der
Fragesteller, sondern hat auch Auswirkungen auf
Fragestellungen und möglichen Erkenntnisgewinn.
Abb: Arcimboldo, Der Gemüsegärtner, 16. Jh.„Bedeutsame und wichtige Antworten wird nur derjenige finden, der in der Lage ist, bedeutsame und wichtige Fragen zu stellen.“ Diese Feststellung ist eine Ausgangsbasis der nachstehenden Standortbestimmung zur ernährungswissenschaftlichen Forschung. Während Stabilisotopenverdünnungsanalyse oder Peroxisom-Proliferator-aktivierter Rezeptor für Ernährungswissenschaftler mittlerweile schon fast vertraut klingen, gehören ontologisch, emergent und epistemisch zum weniger geläufigen Vokabular. Diese wissenschaftstheoretischen bzw. philosophischen Fachausdrücke sind im Artikel im Glossar auf S. 206 erläutert.

Diese Arbeit möchte einen Entwurf zur wissenschaftstheoretischen Grundlegung der Ernährungswissenschaft vorstellen. Im ersten Teil der Arbeit wird eine Analyse des vieldiskutierten wissenschaftlichen Status der Ernährungswissenschaft im Kanon der übrigen Wissenschaftsdisziplinen durchgeführt. Hierzu wird geprüft, ob die Ernährungswissenschaft die üblichen Merkmale einer Realwissenschaft aufweist.

Es zeigte sich, dass die Ernährungswissenschaft beim Gegenstandsbereich, bei den Zielen und bei der Problematik konzeptionelle Schwierigkeiten aufweist. Hier wird die These vertreten, dass der Gegenstandsbereich der Ernährungswissenschaft, nämlich die Ernährung, eine Form der Organismus-Umwelt-Interaktion darstellt. Dieser Gegenstandsbereich wird adäquat erfasst, wenn biotische, psychische und soziale Aspekte berücksichtigt werden.

Als biopsychosoziale Multidisziplin handelt es sich bei der Ernährungswissenschaft weder um eine reine Natur- noch eine reine Sozialwissenschaft. Ernährungswissenschaft kann und sollte sowohl als Grundlagen- und als angewandte Wissenschaft sowie als Technologie betrieben werden. Da in der Forschungsgemeinschaft derzeit keine klare Formulierung von ungelösten ernährungswissenschaftlichen Problemen vorliegt, ist die Problemstellung in der Ernährungswissenschaft entsprechend diffus. Für den Fortschritt der Disziplin wäre es hilfreich, wenn eine derartige Problemsammlung angefertigt würde.

Den vollständigen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 04/09 ab Seite 202.

Eingereicht: 6. 10. 2008 Akzeptiert: 7. 1. 2009

1 In Anlehnung an die akademische Antrittsrede von Friedrich Schiller, die den Titel trug „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“

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