Zu guter Letzt: (Politische) Talkshows
- 16.07.2012
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- Redaktion
Laut dpa* hat Bundestagspräsident LAMMERT vor einiger Zeit die politischen Talkshows im Fernsehen scharf kritisiert. Es gehe dabei nicht um den Austausch von Argumenten, sondern vor allem um Unterhaltung, dies zeige auch die Auswahl der Gäste.
Diese Schelte lässt sich auch auf die Talkrunden über die Ernährung und Lebensmittel übertragen, nur dass hier die Auswahl der Gäste noch bunter und skurriler ist. Neben einem/einer Koch/Köchin kommt immer ein „kritischer Journalist“, ein Vertreter der Verbraucher, einer der bekannten „Systemkritiker“, ein Vertreter der Wirtschaft und oft auch noch ein Betroffener vor. Experimentell tätige Wissenschaftler? Nein danke!
Die DGE kann von Glück reden, da sie häufig von ihrem Präsidiumsmitglied, der äußerst versierten und eloquenten Journalistin und Ernährungswissenschaftlerin Freifrau VON CRAMM vertreten wird. Die meiste Zeit reden alle durcheinander, wobei die Moderatoren/-innen wirklich oder gespielt versuchen, ihrer Aufgabe gerecht zu werden und etwas Ordnung in das Chaos zu bringen. Manchmal sind sie eher bestrebt, eine ernsthafte Debatte zu verhindern, wie Präsident LAMMERT richtig bemerkt, oft sind sie aber die einzigen mit einem gewissen Durch- und Überblick.
Da man selten ein Problem ausdiskutiert, sondern jeder nur versucht seine Botschaft – ob passend oder nicht - loszuwerden, gibt es auch bis zum Schluss keinen Konsens und kein abschließendes Fazit. Ein Mann oder eine Frau, die relativieren, pro und kontra abwägen und ein Problem gewichten, fehlen immer. Wo gibt es diese Leute auch noch? Vielleicht will das auch keiner mehr. Ein bekannter Journalist, der viel über die Ernährung schreibt, bemerkte kürzlich auf die Vorwürfe hin, er würde ständig kritisieren, aber doch stets über die isolierten Studien berichten, Folgendes: „Ja, damit will ich die Bedeutung der Studien in der Ernährungswissenschaft ad Absurdum führen.“
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, hat man früher gesagt und eine Studie macht noch keine gesicherte Aussage, möchte man heute ergänzen. Aber das interessiert nicht mehr. In einer Zeit, in der man die Aha-Erlebnisse, die man auslöst, schon fast wie wissenschaftliche Publikationen zählt, spielt das Bleibende keine große Rolle. Was zählt, ist die Aufmerksamkeit (oft durch Klamauk), die man erringt und die sich dann im eigenen Marktwert oder im Verkauf der eigenen Bücher (auch mit knalligem Titel) niederschlägt. Da lob ich mir die Komödianten, die geben gleich zu, dass sie für (nur) „einen Lacher“ eine freche Lippe riskieren.
Bleiben Sie kritisch und schalten Sie öfter auch mal ab!
Es grüßt Sie Helmut Erbersdobler
Den vollständigen Artikel finden Sie in Ernährungs Umschau 07/12 auf Seite 424.
*Kieler Nachrichten Nr. 75 vom 28.03.2012