Editorial 05/09: Der Hammer

Prof. Dr. Helmut Erbersdobler
Herausgeber

Ich weiß nicht so recht, als was der Faustkeil zuerst gedient hat, als Beil zum Bäume fällen, als Pflugschar oder als Waffe. Beim Hammer ist die Sache klarer, er ist zunächst ein wichtiges Werkzeug, auch wenn man mit ihm einen Menschen töten kann. Dieses Bild vom innovativem Instrument mit tödlicher Gefahr bei falscher Anwendung wird häufig als Beispiel für andere Techniken herangezogen, wobei der Vergleich wie immer hinkt. Bei den heutigen hochentwickelten Techniken geht eben nicht nur von der Anwendung, sondern auch von dem Instrument selbst Gefahr aus. Das ist es, was den Menschen Angst macht. Bei der grünen Gentechnik, also deren Anwendung in der Züchtung, v. a. von Pflanzen, ist die systemische Gefahr aber sehr gering, darin stimmen heute alle Experten überein.

Grundsätzlich gilt, dass für jede neue Technik, ja für jedes neue Produkt, gleich ob man es neu erfindet oder von außen einführt, ein Wagnis eingegangen werden muss. Das gilt praktisch auch für die ganz normale Züchtung oder die Einfuhr exotischer Früchte.

Früher hat man solche Risiken in Kauf genommen und erst nach Eintritt eines Schadens gehandelt. Heute wird versucht, einen Schaden bereits im Vorfeld zu vermeiden, und daher werden moderne Produkte wie Arzneimittel, Novel Food oder gentechnisch erzeugte Lebensmittel gründlich untersucht. Sterben dann in irgendeinem Fall mehr Ratten oder Falter als bei den Kontrollen, dann werden die entsprechenden Produkte sofort eliminiert. Trotzdem bleibt dieser Fall dann als „ewiger Beweis“ für die Schädlichkeit der ganzen Sache im Raume stehen. Man sollte eigentlich froh sein, dass etwas getan wird und dass die Untersuchungsmethoden sensibel sind.

Natürlich sind die Fragen und Probleme vielschichtiger als hier kurz geschildert. Während die physiologisch-toxikologischen Probleme gelöst werden können, z. B. durch Elimination oder Ersatz der antibiotischen Markergene, sind manche ökologischen Fragen noch nicht klar beantwortet. Auch die Vorteile der grünen Gentechnik treten nicht überall klar zu Tage. Die Fragen von wirtschaftlichem Machtmissbrauch und imperialer Dominanz sind zwar nicht gentechnik-spezifisch, aber es lässt sich nicht leugnen, dass sie auftreten. Die Artikel im vorliegenden Heft (s. S. 294 ff.) diskutieren diese und andere Fragen wie ich meine sehr detailliert und informativ.

Wo liegt die Zukunft? Natürlich können wir auch ohne Gentechnik leben. Das Schlagwort „gentechnikfrei“ führt für Bio-Landwirte oder kleinbäuerliche Betriebe sogar zu einem gewissen Mehrwert ihrer Produkte, den man durchaus schätzt. Und eine weitere Zukunftstechnik weniger juckt uns in Deutschland nicht – wir haben ja unsere Autoindustrie! Seit dem Faustkeil haben wir Europäer überwiegend auf die richtigen Techniken gesetzt und sind gut damit gefahren. Wollen wir hoffen, dass dies jetzt nicht nur „die anderen“ tun.

Mit herzlichen Grüßen, 

Ihr

Helmut Erbersdobler

Das könnte Sie interessieren
Ich weiß, dass ich nichts weiß: Umfrage-Hochs und -Tiefs weiter
Ernährungstherapie bei pädiatrischem Morbus Crohn weiter
German-Nutrition Care Process (G-NCP) – Qualitätssicherung in der Ernährungsberatung weiter
Mangelernährung – ein diätetisches Problem in verschiedenen Settings weiter
Herzlichen Glückwunsch Sektion Hessen – DGE e. V. weiter
Pflanzliche Speisefette und -öle weiter