Lebensmittelkennzeichnung: 4-Stufen-System für Lebensmittel nach dem Verarbeitungsgrad
- 08.04.2020
- Print-News
- Redaktion
Natürliche oder frische Lebensmittel sind weitgehend unverarbeitet und unbehandelt, prozessierte Lebensmittel sind in unterschiedlichem Ausmaß industriell verarbeitet. Eine einheitliche Definition für weitere Differenzierungen gibt es derzeit nicht. Das NOVA-System unterteilt Lebensmittel grob in vier Stufen:
1. Unverarbeitet bis minimal verarbeitet bzw. bearbeitet:
Das Lebensmittel behält noch seinen Charakter; Beispiele: Essbare Teile von Pflanzen (Samen, Früchte, Blätter, Stängel, Wurzeln) oder von Tieren (Muskeln, Innereien, Eier, Milch), Pilze, Getränke (Wasser, Tee, Kaffee)
Lebensmittel dieser Gruppe sollten den Hauptbestandteil in der täglichen Ernährung ausmachen. Der minimale Verarbeitungsgrad geht auf Verfahren zurück, die das Entfernen ungenießbarer oder unerwünschter Anteile, das Trocknen, Zerkleinern, Mahlen und Zerteilen, das Filtern, Rösten und Kochen sowie die alkoholfreie Gärung und das Pasteurisieren, Kühlen, Gefrieren sowie Einlegen umfassen. Auch das Vakuumverpacken zählt dazu.
2. Verarbeitete Zutaten
U. a. pflanzliche Öle, Butter, Zucker, Salz
Diese Zutaten werden aus Lebensmitteln der ersten Stufe durch Pressen, Raffinieren, Zerkleinern, Mahlen und/oder Trocknen gewonnen. Damit soll eine möglichst lange Haltbarkeit erzielt werden. Zutaten werden meist nicht isoliert oder einzeln verzehrt, sondern für Geschmack und Konsistenz den Lebensmitteln der ersten Stufe in eher kleinen Mengen zugegeben.
3. Verarbeitete Lebensmittel
Bspw. frisch gebackenes Brot und Brötchen, gereifter Käse, Konserven von Gemüse, Obst und Fisch
Im Grunde handelt es sich um bereits kombinierte Lebensmittel der ersten und zweiten Stufe, die zumeist aus 3–4 Zutaten bestehen. Sie werden mittels diverser Konservierungs- (Räuchern, Pökeln) oder Kochmethoden sowie Gärungsprozessen hergestellt und auch in eher kleineren Mengen einzeln oder in Kombination verzehrt.
4. Hoch verarbeitete Lebensmittel
Fertigprodukte, die meisten Snacks, Erfrischungsgetränke, Süßigkeiten inklusive Schokolade, zusammengesetzte Fleisch- und Fischprodukte wie Wurst oder auch vorgefertigte Tiefkühlgerichte und Instantprodukte
Diese Produkte werden hergestellt, um haltbare, verzehrfertige und schmackhafte Erzeugnisse bereitzustellen, die zudem bequem für VerbraucherInnen und profitabel für die Hersteller sind. Nahezu alle beworbenen Lebensmittel stammen aus dieser Stufe.
Das Forschungsteam aus Brasilien hat auf Basis der Klassifizierung Verzehrempfehlungen verfasst [1]:
- Lebensmittel der Stufe 1: Basis der täglichen Ernährung.
- Lebensmittel der Stufe 2 dienen in kleinen Mengen als Zutaten für Stufe 1.
- Lebensmittel der Stufe 3 werden in begrenzten Mengen mit Stufe 1 oder 2 kombiniert.
- Lebensmittel der Stufe 4 meiden.
Die Klassifikation nach NOVA wurde bereits in einer Reihe von Studien (s. auch DGE-Ernährungsbericht 2016, Kap. 4) eingesetzt [2] und bildet die Grundlage der brasilianischen nationalen Verzehrempfehlungen.
Literatur:
- Monteiro CA, Cannon G, Levy R et al.: NOVA – The star shines bright. World Nutrition 2016; 7(1–3): 28–38.
- Monteiro CA, Cannon G, Moubarac J-C: The UN Decade of Nutrition, the NOVA food classification and the trouble with ultra-processing. Cambridge University Press 2018; 21 (Special Issue 1): 5–17.
Quelle: Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention (FET) e. V., Pressemeldung vom 05.02.2020
(scs) Die Einteilung von Lebensmitteln nach Verarbeitungsgrad ist in Deutschland nicht neu, sie wurde schon im Rahmen der „Vollwertkost“ von Werner Kollath und später in der „Vollwert-Ernährung“ nach Leitzmann, von Koerber und Männle vorgenommen (sog. Wertstufen). Den Weg in die institutionellen Empfehlungen haben diese Stufen bisher nicht gefunden, auch weil die Vollwert-Ernährung für den Mainstream recht anspruchsvoll ist. Dies ist bei dem brasilianischen Modell anders, es wird offensiv als Grundlage für nationale Verzehrempfehlungen verwendet. Es ist nicht verwunderlich, dass die Basierung der Lebensmitttelempfehlungen „nur“ auf dem Verarbeitungsgrad bei manchen Forschungsgruppen und bei industriellen Lebensmittelherstellern auf Kritik stieß, gerade auch weil die meisten absatzstarken „Markenprodukte“ unter Kategorie 4 fallen und damit nicht empfohlen werden. Schon lange wird aber auch hierzulande empfohlen, weniger verarbeitete (und damit meist weniger energiedichte) Lebensmittel zu verzehren. Die Klassifizierung NOVA ist somit auch für deutsche Verhältnisse relevant und es wäre überlegenswert, sie in offiziellen Empfehlungen zu berücksichtigen. Mindestens ist sie aber – da anschaulich und leicht verständlich – hilfreich für den Einsatz in der Beratung.
Eine empfehlenswerte Quelle zur Information ist die Zusammenfassung der FET: https://fet-ev.eu/lebensmittel-beurteilungsmoeglichkeiten/.
Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 4/2020 auf Seite M192.