Adipositas im Kindes- und Jugendalter: S3-Leitlinie: früher Therapiebeginn erfolgreich, Versorgung mangelhaft
- 08.04.2020
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- Redaktion
„Die erreichbaren Therapieeffekte sind zwar gering und entsprechen oft nicht den hohen Erwartungen der Betroffenen. Sie wirken sich aber positiv auf die weitere Gesundheit der Kinder […] aus“, so PD Dr. med. Susann Weihrauch-Blüher, Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG).
Gemäß der Leitlinie sollten Adipositas-Therapieprogramme multimodal aufgebaut sein und den persönlichen Lebensstil der Kinder bzw. deren Familien adressieren. Dazu bieten die meisten Programme eine Kombination aus Bewegungs-, Ernährungs- und Verhaltenstherapie an. Das Hauptproblem: Strukturelle und finanzielle Mängel verhindern eine flächendeckende Umsetzung. „Kinder und Jugendliche können gerade von ambulanten Angeboten gut und nachhaltig profitieren. Es gibt aber zu wenig solcher Therapieplätze, an denen das Kind inmitten von Familie, Schule und Freundeskreis betreut wird“, erläutert PD Dr. med. Susanna Wiegand, Vizepräsidentin der DAG und Kinder- und Jugendärztin der Adipositasambulanz an der Berliner Charité. Eine mangelnde Finanzierung durch die Krankenkassen hätte einen Abbau von Strukturen und Angeboten zur Folge gehabt: Eine Auswertung der Universität Ulm der letzten 10 Jahre zeige, dass die Zahl der zertifizierten Schulungszentren von fast 150 auf aktuell 44, und die Anzahl der Adipositasakademien, in denen Adipositastrainer-Zertifikate erworben werden können, von 8 auf 6 zurückgegangen sei. Dies sei für die ca. 800 000 betroffenen Kinder und Jugendlichen in Deutschland viel zu wenig. Ein weiteres Problem sei die finanzielle Ausstattung vorhandener Programme bzw. die vertragliche Grundlage mit den Krankenkassen bezüglich der Kostenübernahme, beschreibt Wiegand: „Mit Ausnahme einzelner regionaler Absprachen bestehen keine einheitlichen, kostendeckenden, strukturierten Behandlungsverträge. Die Kostenübernahme der Krankenkasse muss somit in der Regel für jeden einzelnen Patienten individuell beantragt werden, was für viele Therapieanbieter eine erhebliche bürokratische, zeit- und kostenintensive Hürde darstellt“.
„Die Leitlinie betont, dass allen Betroffenen der Zugang zu einem Schulungsprogramm ermöglicht werden sollte. Dies gilt auch für den ländlichen Bereich, in dem die Adipositas häufiger vorkommt als in der Stadt. Die Einrichtung solcher Programme und deren Durchführung sollte in enger Zusammenarbeit mit den Krankenkassen erfolgen“, fordert auch Prof. Dr. med. Martin Wabitsch, einer der federführenden Leitlinienautoren. Eine besondere Problemgruppe seien die Jugendlichen, so Wabitsch weiter: „Bei Jugendlichen mit extremer Adipositas liegt die Erfolgsrate deutlich niedriger als bei jüngeren Kindern. Für diese spezielle Gruppe von jungen Patienten benötigen wir neue Therapiekonzepte!“.
Literatur:
1. S3-Leitlinie zur Prävention und Therapie der Adipositas bei Kindern und Jugendlichen.
www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/050002.html (last accessed on 24 March 2020).
Quelle: Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG), Pressemeldung vom 25.02.2020
Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 4/2020 auf Seite M194.