SARS-CoV-2-Infektion der Bauchspeicheldrüse: Corona und Diabetes mellitus

Schwere Verläufe von COVID-19 betreffen nicht nur Atemwege, Verdauungstrakt, Herz-Kreislauf- und Nervensystem, sondern auch den Stoffwechsel. Forschende der Ulmer Universitätsmedizin konnten nachweisen, dass SARS-CoV-2 bei gravierenden Krankheitsverläufen die insulinproduzierenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse infiziert. Dies erklärt möglicherweise das Auftreten von diabetes-ähnlichen Krankheitssymptomen von COVID-19-PatientInnen sowie die Verschlechterung des Glukosestoffwechsels bei coronakranken DiabetikerInnen.

Bei PatientInnen mit COVID-19-Erkrankung treten bei schweren Krankheitsverläufen häufiger Symptome auf, wie sie typischerweise bei Diabetes mellitus Typ 1 zu finden sind: von Hyperglykämie bis hin zu einer Übersäuerung des Bluts (Ketoazidose). Studien berichten dazu über Verschlechterungen bekannter Diabetes-mellitus-Erkrankungen, aber auch über Fälle von neu aufgetretenem Diabetes nach durchgemachter COVID-19-Erkrankung.

In der Ulmer Studie haben die Forschenden Gewebe aus der Bauchspeicheldrüse mit SARSCoV-2 in Kontakt gebracht und herausgefunden, dass sich die Langerhansschen Inseln, in denen die insulinproduzierenden Beta-Zellen sitzen, mit dem Coronavirus infizieren lassen. Die Beta-Zellen exprimieren bestimmte Proteinmoleküle, ohne die SARS-CoV-2 die Zellen nicht infizieren kann. Die körpereigenen Proteine TMPRSS2 und ACE2 sind das Schloss, über welches die Coronaviren mit ihrem Schlüsselprotein Spike in die Zellen eindringen. Daraufhin vervielfältigen sich die Virus-Bausteine und viele neue infektiöse Viruspartikel werden freigesetzt.

Zudem konnten die WissenschaftlerInnen zeigen, dass sich infiziertes insulinproduzierendes Gewebe in Form und Funktion entscheidend verändert. Demnach war die Anzahl der Insulin-Granula reduziert, in denen die Beta-Zellen das Insulin speichern. So war die Ausschüttung des den Blutglukosespiegel regulierenden Hormons gestört.

Weiter fanden die Forschenden bei Autopsien an verstorbenen COVID-19-PatientInnen eine SARS-CoV-2-Infektion des Pankreas, selbst nachdem in der Lunge keine Virusproteine mehr zu finden waren – und dies bei unterschiedlich langen Krankheitsverläufen. Dies deutet möglicherweise darauf hin, dass das Coronavirus nicht nur außerhalb der Lunge aktiv ist und andere Organe infiziert, sondern dass diese Infektionen häufiger und andauernder sind als bisher angenommen.

Das Forschungsteam entdeckte, dass zudem auch Pankreasgewebe mit Coronaviren infiziert war, welches Verdauungsenzyme produziert. Welche Relevanz dies für den klinischen Krankheitsverlauf hat, sei noch unklar. „Bekannt ist bislang, dass aktive COVID-19-Erkrankungen auch von Entzündungen der Bauchspeicheldrüse begleitet werden“, erklärt Prof. Kleger, Leiter der Bauchspeicheldrüsenambulanz am Uniklinikum Ulm. Noch offen ist außerdem, ob die akut auftretenden Beeinträchtigungen der Insulinproduktion bei COVID-19-PatientInnen langfristig zu einer Diabetes-Erkrankung führen können.

Quelle: Universität Ulm, Pressemeldung vom 03.02.2021



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 3/2021 auf Seite M129.

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