Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: Folgen der Umstellung globaler Ernährungsgewohnheiten über Jahrzehnte

Eine Studie des Potsdamer-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) untersuchte die Auswirkungen der Umstellung globaler Ernährungsgewohnheiten über Jahrzehnte. Ihre Berechnungen, veröffentlicht in Scientific Reports, fassen Schätzungen für Unter- und Übergewicht, Ernährungszusammensetzung und Essensabfälle zusammen. Ihr Ergebnis zeigt: Bis 2050 könnten mehr als 4 Mrd. Menschen – fast die Hälfte der Weltbevölkerung – übergewichtig sein, davon 1,5 Mrd. adipös. Gleichzeitig würden weiterhin 500 Mio. Menschen an Untergewicht leiden.

Diese Entwicklung ist auf die unzureichende globale Verteilung von Nahrungsmitteln zurückzuführen sowie auf die Verlagerung von pflanzlicher, wenig verarbeiteter Kost hin zu unausgewogenen, hochverarbeiteten Speisen. Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte werden durch tierisches Protein, Zucker und Fett verdrängt. Laut Benjamin Bodirsky vom PIK, Hauptautor der Studie, komme hinzu, dass die zunehmende Verschwendung von Nahrungsmitteln und der steigende Konsum von tierischem Protein dazu führe, dass wir die Umweltfolgen nicht mehr beherrschen können.

Wenn die derzeitigen Trends anhalten, wird die weltweite Nachfrage nach Nahrungsmitteln zwischen 2010 und 2050 um etwa 50 % steigen, und die Nachfrage nach tierischen Produkten wird sich ungefähr verdoppeln – eine Entwicklung, die immer mehr Land erfordern würde. „Mit der gleichen Landfläche könnten wir aber viel mehr pflanzliche Nahrungsmittel für den Menschen produzieren als tierische“, erklärt Ko-Autor Alexander Popp, Leiter der Forschungsgruppe Landnutzungsmanagement am PIK.

Zudem bietet die Studie einen konsistenten Langzeitüberblick über einen anhaltenden globalen Ernährungswandel von 1965 bis 2100. Unter Verwendung eines Open-Source- Modells prognostizieren die Forschenden, wie viel des Nahrungsmittelbedarfs auf Faktoren wie Bevölkerungswachstum, Alterungsprozesse, zunehmende Körpergröße, steigenden BMI, abnehmende körperliche Aktivität und zunehmende Nahrungsmittelabfälle zurückzuführen ist.

Ko-Autor Prajal Pradhan vom PIK erklärt: „Es gibt genug Nahrung auf der Welt – das Problem ist, dass die armen Menschen auf unserem Planeten sich diese nicht leisten können. Und in den reichen Ländern spüren die Menschen die wirtschaftlichen und ökologischen Folgen der Verschwendung von Nahrungsmitteln nicht.“ Aber Umverteilung allein würde nicht ausreichen, denn sowohl ärmere als auch reichere Bevölkerungsschichten ernähren sich mangelhaft.

„Ungesunde Ernährung ist das weltweit größte Gesundheitsrisiko“, erklärt Ko-Autorin Sabine Gabrysch, Leiterin der Forschungsabteilung Klimaresilienz am PIK. „Viele Länder in Asien und Afrika kämpfen derzeit noch mit Unterernährung und den damit verbundenen Gesundheitsproblemen. Gleichzeitig sind sie zunehmend auch mit Übergewicht und in der Folge mit einer steigenden Belastung durch Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs konfrontiert“, so Gabrysch.
„Wir brauchen dringend politische Maßnahmen, um eine Ernährungsumgebung zu schaffen, die gesundes Essverhalten fördert”, erklärt Gabrysch. „Dazu könnten verbindliche Vorschriften gehören, welche die Werbung für ungesunde Snacks regulieren sowie nachhaltige und gesunde Mahlzeiten in Schulen, Krankenhäusern und Kantinen sicherstellen. Eine stärkere Konzentration auf Ernährungsbildung ist ebenfalls wichtig, von der Früherziehung im Kindergarten bis zur Beratung durch Ärzte und Krankenschwestern. Was wir essen ist von entscheidender Bedeutung – sowohl für unsere eigene Gesundheit als auch für die unseres Planeten.“

Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Pressemeldung vom 18.11.2020



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 3/2021 auf Seite M129.

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