Lebensmittelchemie: Belastung pflanzlicher Lebensmittel mit giftigen Tropanalkaloiden
- 11.01.2016
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- Redaktion
Zahlreiche Nachtschattengewächse, z. B. die schwarze Tollkirsche, enthalten verschiedene Tropanalkaloide, insbesondere die Hauptvertreter Atropin und Scopolamin. Diese giftigen Verbindungen werden von bestimmten Pflanzenarten u. a. als Fraßschutz gebildet und können bei unsachgemäßem Anbau, bei der Ernte oder während der Verarbeitung pflanzlicher Lebensmittel in die Endprodukte gelangen. Betroffen sind sowohl (Pseudo-) Getreide wie Buchweizen und Hirse, die durch Samenkörner von Fremdsaaten kontaminiert werden, als auch Kräutertees, in die alkaloidhaltige Pflanzenteile von Beikräutern übergehen können.
Im Jahr 2013 veröffentlichte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine Stellungnahme zur Belastung von Futter- und Lebensmitteln mit Tropanalkaloiden [1]. Darin wurden eine akute Referenzdosis (ARfD) von 0,016 μg/kg Körpergewicht für die Summe der Alkaloide Atropin und Scopolamin abgeleitet und eine mögliche Überschreitung der ARfD für Kleinkinder beim Verzehr von Säuglingsnahrung auf Getreidebasis berechnet.
Aufgrund der unzureichenden Datenlage zum Vorkommen von Tropanalkaloiden in verschiedenen Lebensmitteln entwickelte das Hessische Landeslabor (LHL) eine Methode zur Bestimmung des Atropin- und Scopolamingehaltes mittels LC-MS/MS (Flüssigchromatografie mit Massenspektrometrie-Kopplung) in pflanzlichen Lebensmitteln. Schwerpunktmäßig wurde zunächst getreidehaltige Kindernahrung untersucht. Von 74 analysierten Getreidebreien wiesen fünf Proben Tropanalkaloidgehalte zwischen 7 und 44 μg/kg auf. Angesichts der damit bis zu 10-fachen Überschreitung der ARfD wurden diese Proben als nicht sichere Lebensmittel eingestuft und in das europäische Schnellwarnsystem RASFF eingestellt. Auch bei der Untersuchung von im Handel erhältlichem Maismehl und -grieß wurden in 2 von 46 Proben Tropanalkaloide nachgewiesen. Weitere analysierte (Pseudo-) Getreidesorten (Weizen, Roggen, Dinkel und Buchweizen) erwiesen sich als unauffällig – hier lagen die Gehalte unterhalb der Nachweisgrenze. Lediglich eine Probe Braunhirse war mit 70 μg/kg kombiniertem Atropin- und Scopolamingehalt auffällig stark kontaminiert.
Darüber hinaus untersuchte das LHL 86 handelsübliche Kräuterteesorten wie Pfefferminze, Kamille und Brennessel. 16 Proben wiesen überhöhte Tropanoidbelastungen auf. Laut LHL kann aber bei haushaltsüblicher Zubereitung der Kräutertees auch unter der Annahme eines 100 %igen Übergangs der Tropanalkaloide in den Teeaufguss davon ausgegangen werden, dass die ARfD beim Verzehr nicht erreicht wird.
Derzeit existieren weder national noch EU-weit gesetzlich festgelegte Höchstwerte für Tropanalkaloide. Auf europäischer Ebene stehen Grenzwerte für bestimmte Lebensmittelgruppen mittlerweile in der Diskussion. Für die rechtliche Beurteilung von Proben mit nachweisbaren Gehalten wird daher zurzeit unter Bezug auf die ARfD eine einzelfallbezogene Risikoabschätzung in Abhängigkeit von der Verbrauchergruppe (z. B. Kindernahrung) vorgenommen. Bei geringeren Gehalten erfolgt die Einschätzung gemäß der EU-Kontaminanten-Kontroll-Verordnung (EWG) Nr. 315/93, nach der die Belastung auf so niedrige Werte zu begrenzen ist, wie sie durch gute landwirtschaftliche Praxis erreicht werden kann.
Literatur
1. EFSA Panel on Contaminants in the Food Chain (CONTAM), European Food Safety Authority (EFSA) (2013) Scientific opinion on tropane alkaloids in food and feed. EFSA J 11: 3386
Quelle: Kemme J, Pätzold R, Brunn H (2015) Bestimmung der Tropanalkaloide Atropin und Scopolamin in pflanzlichen Lebensmitteln. Dtsch Lebensmitt Rundsch 111: 418–424
Den Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 01/16 auf Seite M9.