Mikrobiom Forschung: Entstehung von Darmkrankheiten besser verstehen

Die Anzahl der Darmbakterien liegt in der Größenordnung der Zahl menschlicher Körperzellen. Der größte Teil dieser überwiegend nützlichen Bakterien befindet sich im Dickdarm. Die Bakterien des Dünndarms zu untersuchen, war bisher weitgehend unmöglich, da dieser nur während eines chirurgischen Eingriffs oder nach einer Spülung des Darminhalts für eine Endoskopie erreicht werden kann.

Forschende um Andrew Macpherson und Bahtiyar Yilmaz vom Department for Biomedical Research der Universität Bern und Universitätsklinik für Viszeralchirurgie und -medizin des Inselspitals konnten die Darmbakterien im menschlichen Dünndarm von PatientInnen untersuchen, bei denen der untere Dünndarm (Ileum) wegen Krebs operiert wurde.
Bei diesen geheilten PatientInnen liegt das Ileum in einem künstlichen Darmausgang an der Bauchdecke an. So hatten die Forschenden direkten Zugriff auf die Darmbakterien und konnten das Geschehen in „Echtzeit“ untersuchen. Die Bakterienproben wurden mittels Sequenzierungs-Methoden analysiert.
Dabei zeigte sich: Die Darmbakterien des Ileum unterstützen den Verdauungsprozess, indem sie sehr dynamisch auf den menschlichen Ernährungszustand reagieren. Während die Darmbakterien des Dickdarms im Laufe des Lebens relativ stabil bleiben, erwiesen sich die Darmbakterien des Dünndarms als sehr instabil: Beim nächtlichen Fasten bricht die Besiedlung weitgehend zusammen und baut sich nach Einnahme einer Mahlzeit wieder auf.
Trotz dieser ernährungsbedingten Schwankungen der „Biomasse“ sterben die verschiedenen Bakterien-Arten nicht aus, auch wenn sie sich zahlenmäßig auf sehr geringem Niveau bewegen. Laut Dr. Yilmaz besteht jede Art aus einer großen Anzahl von Unterarten; die Anteile der einzelnen Unterarten verändern sich sehr schnell innerhalb von Stunden nach dem Essen.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Verwendung von Proben aus künstlichen Darmausgängen sehr effektiv und einfach ist, um die Darmflora des Dünndarms zu charakterisieren. Die Forschenden konnte auch nachweisen, dass die Proben von PatientInnen mit künstlichem Darmausgang repräsentativ sind für die Darmflora des Dünndarms ohne Operation [1]. Die Erkenntnisse können dazu beitragen, die Wechselwirkungen zwischen Wirt und Darmbakterien bei Darmerkrankungen zu verstehen und die Grundlage für neue Therapieansätze bilden.

Literatur
1. Bahtiyar Yilmaz, Tobias Fuhrer, Deborah Morgenthaler, Niklas Krupka, Daoming Wang, Daniel Spari, Daniel Candinas, Benjamin Misselwitz, Guido Beldi, Uwe Sauer, and Andrew J. Macpherson, 2022, Plasticity of the adult human small intestinal stoma microbiota, Cell Host & Microbe 30, 1-15, DOI: 1016/j.chom.2022.10.002

Quelle: Universität Bern, Pressemeldung vom 01.11.2022



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 1/2023 auf Seite M11.

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