Einstellungen vs. Kaufverhalten: Tierschutz - Einstellungen und Kaufverhalten stimmen nicht überein

AgrarwissenschaftlerInnen der Universität Göttingen unterstützen die Einführung einer Steuer auf alle tierischen Produkte, wie sie das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung in seinen Empfehlungen zur Transformation der Nutztierhaltung am 11. Februar 2020 (s. Kasten) vorgestellt hat.

Den Deutschen sind Nachhaltigkeit und Tierschutz zunehmend wichtiger, beim Einkauf entscheidet jedoch häufig der Preis. © anyaivanova/iStock/Getty Images Plus
Den Deutschen sind Nachhaltigkeit und Tierschutz zunehmend wichtiger, beim Einkauf entscheidet jedoch häufig der Preis. © anyaivanova/iStock/Getty Images Plus

Darin sprechen sich die ExpertInnen für eine Tierschutzsteuer aus, deren erwartete Einnahmen von gut 3,5 Mrd. € in den Umbau der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung in Deutschland fließen sollen. Die Göttinger AgrarökonomInnen folgen in einem Positionspapier dieser Empfehlung. Ihre Begründung: Zwischen der Einstellung von KonsumentInnen zur Nutztierhaltung und deren tatsächlichem Kaufverhalten klafft eine Lücke.

In ihrem Positionspapier „Warum wir eine Tierschutzsteuer brauchen – Die Bürger-Konsumenten-Lücke“ zeigen Dr. Gesa Busch und Prof. Dr. Achim Spiller, dass es eine systematische Lücke zwischen den Präferenzen der Deutschen für mehr Tierschutz und der Zahlungsbereitschaft im Markt gibt. „Bei Fleisch sprechen sich in Studien bis zu 80 % der Befragten für eine bessere Form der Tierhaltung aus“, so die AutorInnen. „Im Vergleich dazu sind die Marktanteile von Bio-Fleisch mit ein bis 2 % sehr gering.“ Ein Teil dieser Bürger-Konsumenten-Lücke sei selbstgemacht, sagen die Forscher, durch schlechte Politik und Marktversagen. „Aber es verbleibt eine erhebliche Lücke, die nicht einfach durch ein verbessertes Angebot von Tierwohl-Produkten aufhebbar ist.“

Die Gründe für diese ausgeprägte Lücke sind vielfältig. „Einstellungen entsprechen z. B. oftmals eher Wünschen und Idealbildern und sind somit eher als Trends zu verstehen“, erklärt Busch. Auch sehen viele die Wirtschaft oder Politik in der Verantwortung, das Wohlergehen von Tieren zu verbessern. Zusätzlich macht das Forschungsteam Informations- und Glaubwürdigkeitsdefizite bei Standards aus, da Begriffe wie „Tierschutz“ oder „artgerecht“ nicht geschützt sind und im Marketing relativ problemlos verwendet werden können. Zentral sei zudem der große Preisunterschied zwischen konventionell und bspw. biologisch erzeugtem Fleisch – bei Überschreitung bestimmter Preisschwellen steigen VerbraucherInnen aus, die Zahlungsbereitschaft ist begrenzt. Eine Tierschutzsteuer sei daher – so Spiller – „sinnvoll, um den Landwirten einen Weg zu einer gesellschaftlich akzeptierten Tierhaltung zu ermöglichen.“

Quelle: Universität Göttingen, Pressemeldung vom 16.02.2020

Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung

In einem umfangreichen Positionspapier hat das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung ein Konzept für die langfristige Umstellung der Nutztierhaltung in Deutschland in Richtung einer tierwohlverträglichen Haltung vorgestellt. Gefordert wird u. a., Stufe 1 des vom BMEL geplanten Tierwohllabels (Achtung: Dies entspricht Stufe 2 des zurzeit im Handel befindlichen Labels der Industrie ⇒ ERNÄHRUNGS UMSCHAU 12/2019, S. M696) mit verbesserter Stallhaltung zum gesetzlichen Mindeststandard zu machen. Ein detaillierter Zeitplan und Finanzierungsvorschläge, darunter eine verbrauchsbezogene Steuer auf tierische Lebensmittel, ergänzen das Konzept.

Quelle: Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung. 11.02.2020. bit.ly/32ap6lv (last accessed on 20 February 2020)



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 3/2020 auf Seite M135.

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