Verhaltensforschung: Gewichtsverlust beeinflusst risikoreiche Entscheidungen bei Adipositas

Menschen mit Adipositas zeigen nicht nur ein verändertes Risikoverhalten, sondern auch Veränderungen im Stoffwechsel und in der Psyche. Bisher ging man davon aus, dass stark adipöse Menschen impulsiver sind und eine erhöhte Risikobereitschaft zeigen. Wissenschaftler*innen des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) haben nun untersucht, ob ein massiver Gewichtsverlust zu einer Verbesserung des metabolischen und psychologischen Zustands führt und ob die Entscheidungsfindung verbessert wird [1].

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Das menschliche Verhalten ist Ausdruck unserer Persönlichkeit, aber es wird auch durch interne Signale gesteuert, bspw. durch den Glucosestoffwechsel und unsere Stimmung. Bei Menschen mit Adipositas sind der Glucosestoffwechsel und die Stimmung beeinträchtigt und somit sind sie keine zuverlässigen Signalgeber mehr für Entscheidungen. Ob sich dieser Zustand durch eine massive Gewichtsabnahme wieder umkehren lässt, haben Beatrix Keweloh und ihr Team in einer Interventionsstudie untersucht. Dafür rekrutierten sie 62 Proband*innen zwischen 18 und 75 Jahren mit schwerer Adipositas (BMI > 35 kg/ m2) und verordneten ihnen eine intensive 10-wöchige Diät mit einer täglichen Energiezufuhr von 800 kcal. Zu Beginn und am Ende der Intervention wurden Gewicht und Körperfett der Teilnehmenden gemessen, die Stimmung mithilfe eines Fragebogens erfasst und die Risikobereitschaft durch einen computergestützten Test ermittelt.
Nach der 10-wöchigen Diät zeigte sich eine signifikante Reduktion des BMI und des HbA1c-Werts als Marker für den Glucosestoffwechsel, sowie eine signifikante Verbesserung der Stimmung. Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler*innen eine positive Verhaltensänderung nachweisen, denn der Gewichtsverlust führte zu risikovermeidenden Entscheidungen. Demnach scheint das Risikoverhalten bei Adipositas in hohem Maße vom BMI abhängig zu sein. „Unsere Ergebnisse haben zudem gezeigt, dass der metabolische Faktor HbA1c nach dem Gewichtsverlust zum führenden Vorhersageparameter für die Risikobereitschaft wird“, sagt Erstautorin Beatrix Keweloh.
Darüber hinaus zeigte sich, dass die Stimmung nach der Gewichtsabnahme ihren Einfluss auf die Entscheidungsfindung verliert. Die Teilnehmenden waren also hinsichtlich ihres Risikoverhaltens stärker von metabolischen Signalen beeinflusst als von emotionalen. Die Studie macht deutlich, dass es hinsichtlich der Risikobereitschaft komplexe Wechselwirkungen zwischen Gewichtsverlust, metabolischen und psychologischen Faktoren gibt. Der BMI scheint dabei eine zentrale Rolle zu spielen. Da eine verringerte Risikobereitschaft mit einem gesünderen Lebensstil verbunden ist, stellt sie eine wichtige Voraussetzung für den Gewichtsverlust und die Aufrechterhaltung eines gesunden Körpergewichts dar. Dementsprechend sollten Interventionsstrategien zur Unterstützung des Gewichtsmanagements sowohl metabolische als auch psychologische Faktoren berücksichtigen, um Rückfälle in ungesunde Verhaltensweisen zu verhindern und metabolisch gesteuerte Entscheidungen zu fördern.

Literatur
1. Keweloh B, Terenzi D, Froehlich E, et al.: Weight loss impacts risky decisions in obesity. Clin Nutr 2024; 43(6): 1270–7.

Es gibt verschiedene etablierte Verfahren, um die Risikobereitschaft zu testen. Eine Möglichkeit sind computergestützte Lotterieaufgaben. In dieser Studie wurde eine klassische Lotterieaufgabe genutzt, bei der die Proband*innen eine Reihe von Entscheidungen zwischen jeweils zwei Optionen treffen mussten, bei denen sie Geld gewinnen konnten. Die erste Option war ein fester Geldbetrag. Bei der zweiten Option bestand die Möglichkeit, einen höheren oder einen niedrigeren Betrag zu erhalten, wobei die Gewinnwahrscheinlichkeit jeweils bei 50 % lag.

Quelle: Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIfE), Pressemeldung 09.07.2024



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 9/2024 auf Seite M493.

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