Zöliakie: Neue Erkenntnisse für die Behandlung der Zöliakie
- 11.09.2024
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- Redaktion
Die chronische Krankheit kann sich durch Verdauungsbeschwerden wie Durchfall, Bauchschmerzen, Übelkeit oder Blähungen zeigen. Darüber hinaus können Autoimmunkrankheiten der Schilddrüse oder Typ-1-Diabetes, Hautveränderungen, Müdigkeit sowie Muskel- und Gelenkschmerzen auftreten.
Mit der Entzündung der Dünndarmschleimhaut bilden sich die Ausstülpungen der Dünndarmschleimhaut (Zotten) zurück. Dadurch verkleinert sich die Oberfläche der Darmschleimhaut. In der Folge können die Betroffenen weniger Nährstoffe aus der Nahrung aufnehmen. Unbehandelt kann die Zöliakie zu schwerwiegenden Komplikationen wie Blutarmut, Knochenschwund, Wachstumsverzögerungen, Unfruchtbarkeit bis hin zu Dünndarmtumoren führen.
Die bisher einzige wirksame verfügbare Behandlungsmöglichkeit ist eine streng glutenfreie Diät (GFD). Allerdings ist diese für die Betroffenen sehr belastend und schwer einzuhalten. Häufig kommt es auch zu einer minimalen versehentlichen Glutenaufnahme, was bei fast der Hälfte der behandelten Patient*innen trotz GFD zu anhaltenden Symptomen führt.
Ein Mainzer Forschungsteam unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Dr. Detlef Schuppan, Direktor des Instituts für Translationale Immunologie der Universitätsmedizin Mainz, hat in Zusammenarbeit mit den Unternehmen Zedira GmbH (Darmstadt) und Dr. Falk Pharma GmbH (Freiburg) ein Medikament zur Behandlung der Zöliakie entwickelt: den Transglutaminase-Hemmer ZED1227 [1]. Der Wirkstoff basiert auf früheren Erkenntnissen von Prof. Schuppan zu den krankheitsspezifischen Mechanismen bei Zöliakie [2]. Eine wesentliche Rolle spielte dabei die Entdeckung des körpereigenen Enzyms Transglutaminase 2 (TG2), das im gesamten Darm vorkommt. Die Forschungsgruppe fand heraus, dass TG2 von der Dünndarmschleimhaut aufgenommene Glutenbruchstücke enzymatisch so verändert (deamidiert), dass sie besser an die HLA-Moleküle DQ2 oder DQ8 der Zöliakiebetroffenen binden und damit eine stark erhöhte Immunreaktion im Darm auslösen. Die Wirksamkeit von ZED1227 beruht auf seiner Fähigkeit, die überschießende Aktivität des Enzyms TG2 in der Dünndarmschleimhaut zu hemmen und so die entzündliche Immunantwort zu verhindern. In einer klinischen Phase-2a-Studie mit 160 Patient*innen zeigte ZED1227 eine starke schützende Wirkung auf die Dünndarmschleimhaut [2]. Dadurch konnten die glutenbedingte Entzündung, die Erkrankungssymptome sowie die Lebensqualität der Zöliakiebetroffenen verbessert werden.
In der neuen Studie [1] sollten die immunologischen Mechanismen, die der Wirksamkeit von ZED1227 zugrunde liegen, weiter entschlüsselt werden, erläutert Prof. Schuppan. Hierfür wurden Gewebeproben (Biopsien) aus dem Dünndarm von insgesamt 58 Zöliakiepatient* innen analysiert. Die Biopsien wurden nach einer langfristigen glutenfreien Diät und erneut nach einem sechswöchigen Zeitraum entnommen, in dem die Patient*innen täglich 3 g Gluten sowie zusätzlich entweder 100 mg des Wirkstoffs ZED1227 (34 Studienteilnehmende) oder ein Placebo (24 Studienteilnehmende) erhielten. Um die Genaktivität im Dünndarm zu untersuchen, extrahierten die Wissenschaftler*innen aus den Gewebeproben Ribonukleinsäure (RNA) und analysierten sie mithilfe einer neuartigen Sequenzierungstechnologie.
Die Messung der Genaktivität zeigte, dass die Gabe von ZED1227 die glutenbedingte Entzündung vollständig normalisiert und damit die Schädigung der Dünndarmschleimhaut wirksam verhindert. Zudem kehrte bei den Studienteilnehmenden, die das Medikament erhielten, auch die Aktivität der für die Aufnahme von Vitaminen und Spurenelementen verantwortlichen Gene auf das Niveau vor dem sechswöchigen Zeitraum mit Glutenbelastung zurück. Weiter zeigte sich, dass die Wirksamkeit von ZED1227 wesentlich von der individuellen HLA-DQ2/8-Gendosis der Patient*innen beeinflusst wurde. Prof. Schuppan betont: „Mit der aktuellen Untersuchung konnten wir nun auch auf immunologischer Ebene belegen, dass die Hemmung der TG2 eine wirksame Option zur Behandlung der Zöliakie darstellt. Unsere Ergebnisse deuten zudem darauf hin, dass die Betroffenen von einem personalisierten therapeutischen Ansatz auf Grundlage einer Bestimmung ihrer individuellen zöliakieassoziierten Erbanlage profitieren könnten.“
Literatur
1. Dotsenko V, Tewes B, Hils M, et al.: Transcriptomic analysis of intestine following administration of a transglutaminase 2 inhibitor to prevent gluten-induced intestinal damage in celiac disease. Nat Immunol 2024.
2. Schuppan D, Mäki M, Lundin KEA, et al.: A randomized trial of a transglutaminase 2 inhibitor für celiac disease. N Engl J Med 2021; 385: 35–45.
Quelle: Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Pressemeldung vom 27.06.2024
Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 9/2024 auf Seite M494.