Junge Forschung: Untersuchung von Influencendenwerbung für NEM auf Instagram

  • 11.09.2024
  • Print-News
  • Hannah Wolf
  • Michaela Noreik
Ist eine Differenzierung zwischen privaten und werblichen Posts möglich?

Hintergrund
Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens Nielson Company vertrauen knapp 30 % der Konsument*innen Onlineempfehlungen von Influencenden. Im Vergleich dazu würden lediglich 3 % ein Produkt kaufen, welches von einem Star beworben wird [1]. Dies zeigt den großen Einfluss, den Influencende bereits auf den Kaufentscheidungsprozess besitzen [2, 3]. Die Relevanz der Werbekennzeichnung wird durch eine Studie deutlich, deren Ergebnisse zeigen, dass Verbrauchende durchschnittlich Werbung zwar erkennen, die Grenzen zwischen tatsächlicher Werbung und privatem Post allerdings sehr schmal sind, was zu häufigen Fehlern in der Erkennung führt [4]. Diesbezüglich fanden Verbraucher*innenschützer, dass viele Instagramstories von Influencenden besonders im Bereich Fitness und Ernährung Verstöße gegen Werbebestimmungen aufweisen [5, 6]. Dies betont die Problematik, die durch die Grauzonen für Verbrauchende wie auch für Marken entsteht, wenn nicht deutlich ist, wann es sich um Werbung handelt und wann nicht [4, 7, 8]. Regelungen für Influencendenwerbung beziehen sich deshalb stets darauf, Werbung für die Verbrauchenden deutlich zu gestalten [9]. Aufgrund der Wichtigkeit und der Aktualität dieser Thematik wurde für diese Arbeit die folgende Forschungsfrage konzipiert: Erkennt die Zielgruppe Werbung, wenn diese nicht sachgemäß gekennzeichnet wurde? Diese wurde mittels der folgenden Hypothesen überprüft: a) Verbrauchende erkennen die Schleichwerbung nicht und b) die Umfrageteilnehmemenden erkennen die Werbung nur bei richtiger Kennzeichnung.

Methodik
In einer Onlineumfrage wurden allgemeine personenbezogene Daten abgefragt. Anschließend wurden Fragen bzgl. der Meinung und des Wissens gegenüber Fitnessinfluencenden und Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) gestellt. Der Hauptteil der Befragung beinhaltete Fragen zu abgebildeten Instagramstories, welche Werbung bzw. Schleichwerbung darstellten. Hauptsächlich wurden die Befragten gebeten anzugeben, ob es sich ihrer Meinung nach bei dem abgebildeten Bild um Werbung handeln würde oder nicht. Anschließend wurde bei vorheriger Auswahl der Antwort „Ja“ für „es handelt sich meiner Meinung nach um Werbung“, nachgefragt, woran die Person die Werbung erkannt hat. Als Vorbereitung für den Fragebogen wurden auf der Plattform Instagram-Profile von bekannten Fitnessinfluencenden gesichtet und sogenannte „Stories“, welche vorab festgelegten Kriterien entsprachen, abfotografiert und nachgestellt. Diese wurden dann auf das Vorliegen von Werbung bzw. Schleichwerbung analysiert. Explizit lagen 4 Beispiele vor, von dem eines anhand seiner Gestaltungsweise stark auf das Vorhandensein von Werbung hindeutete, allerdings keine offizielle Kennzeichnung vorlag (Bsp. 1), eines, welches einen ungünstig platzierten Werbehinweis enthielt (Bsp. 2), eines, welches gestalterisch wie eine persönliche Empfehlung wirkte, obwohl der Beitrag tatsächlich werblich war (Bsp. 3) und eines als Kontrolle, das ordnungsgemäß als Werbung gekennzeichnet wurde (Bsp. 4).
Um die Zielgruppe der Hobbysporttreibenden zu erreichen, wurde der Fragebogen über einen Link auf Instagram-Profilen von Mitarbeitenden einer Fitnessstudiokette verbreitet. Die Umfrage war im Dezember 2023 für 31 Stunden online. Alle Befragten haben ihr Einverständnis für die Teilnahme erklärt. Bei 80 verwertbaren Fragebögen wurde die aktive Feldphase beendet. Die Befragung wurde mit dem Programm SoSci Survey konzipiert und veröffentlicht. Die quantitative Auswertung wurde mittels deskriptiver Statistik und dem Programm SPSS (Statistical Package for the Social Sciences) durchgeführt.

Ergebnisse
Von insgesamt 80 verwertbaren Fragebögen gehören 91,3 % (n = 73) zu Personen, die Kraftsport als Hobby ausführen, 8,8 % (n = 7) betreiben Kraftsport professionell. Mit 58,8 % (n = 47) empfindet eine knappe Mehrheit der Personen Influencende als weniger glaubwürdig, wenn sie wissen, dass die Person eine Kooperation mit einer Marke besitzt. Außerdem geben 77,5 % (n = 62) der Befragten an, dass sie glauben, dass Influencende häufig wissenschaftlich unfundierte bzw. falsche Aussagen treffen. Die Mehrheit empfindet außerdem einen Rabattcode als ein Indiz dafür, dass es sich bei dem Beitrag um Werbung handelt (95,0 %, n = 62).
Am häufigsten wurde zum Zeitpunkt der Erhebung Werbung von Influencenden auf der Plattform Instagram (92,5 %, n = 74) wahrgenommen, gefolgt von Tiktok (47,5 %, n = 38) und YouTube (26,3 %, n = 21).
Durchschnittlich liegt die prozentuale Verteilung der Antwort „Ja“ (Werbung wurde erkannt) bei 62,1 % (n = 50) und für „Nein“ (Werbung wurde nicht erkannt) bei 37,9 % (n = 30). Bezüglich der genauen Gründe, woran Befragte Influencendenwerbung erkennen, geben sie „Gestaltung der Story“ in 53,8 % der Fälle und die Möglichkeit „Verlinkung“ in 37,5 % der Fälle an. Entgegen der ursprünglichen Selbsteinschätzung der Befragten werden die Antwortmöglichkeiten „Nennung eines Markennamens“ und „Inhalt der Story“ am häufigsten ausgewählt. Das Kontrollbeispiel wird ebenfalls von der Mehrheit wegen der Nennung eines Markennamens erkannt. Die Antwortmöglichkeit „Werbekennzeichnung“ wird bei diesem Beispiel in 22,8 % (n = 18) der Fälle gewählt.

Diskussion
Während der Analyse der Beispiele wurden Verstöße gefunden, was darauf hindeutet, dass Influencenden entweder die Konsequenzen fehlender Kennzeichnung nicht bekannt sind oder sie bewusst auf diese verzichten. Die aus Zeitmangel geringe Verfolgung von Verstößen könnte ebenfalls ein Grund sein, weshalb Kennzeichnungen weggelassen werden [8]. Außerdem erweckt die Wahl der Position mancher Kennzeichnungen den Eindruck, dass Influencende über die Wirkung einer Werbekennzeichnung informiert sind und bewusst den Post wie eine Empfehlung wirken lassen wollen (negative Konnotation mit werblichen Inhalten). Trotz der Ergebnisse der Nielson Company, geben Personen in dieser Befragung an, Influencendenwerbung skeptisch gegenüber zu stehen. Interessant ist, dass trotz der Skepsis 46 % der Befragten angeben, allein aufgrund eines Rabattcodes, den sie bei einem Influencenden gesehen haben, ein NEM gekauft zu haben. Die Mehrzahl gibt an, Werbung meistens an der Gestaltung zu erkennen. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass die Befragten Werbung nicht zuverlässig erkennen können (Bsp. 1: 57,5 %, Bsp. 2: 97,5 %, Bsp. 3: 31,3 % und Bsp. 4: 98,8 %), besonders da die Beispiele, die mehr wie ein privater Post wirken, wie erwartet am wenigsten als Werbung erkannt wurden. Personen, die Bsp. 2 (ungünstig platzierte Kennzeichnung) als Werbung erkennen, erkennen auch das Kontrollbeispiel, allerdings in beiden Fällen, trotz Vorhandensein, nicht an der Werbekennzeichnung, sondern anhand eines Produktnamens (Kontrollbeispiel) und des allgemeinen Inhalts (Bsp. 2). Beide Beispiele werden von 90 % der Befragten als Werbung identifiziert, was darauf hindeutet, dass Beiträge einen gewissen Anteil an „offensichtlichen“ oder „typischen“ Werbebausteinen, bspw. Produkt- bzw. Markennamen, beinhalten müssen, um auch ohne Werbekennzeichnung als Werbung wahrgenommen werden zu können. Diese „typischen“ Bausteine müssten noch genauer definiert bzw. identifiziert werden, um auf sie eingehen zu können.
Das Kontrollbeispiel wird trotz offensichtlichem Werbehinweis primär wegen der Nennung eines Markennamens erkannt, obwohl kein Markenname abgebildet ist, sondern ein Logo einer bekannten Marke innerhalb eines kleinen Produktausschnitts. Und dies, obwohl die Kennzeichnung größer und sichtbarer positioniert wurde als das Markenlogo. Allgemein deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Erkennung von Influencendenwerbung ein individueller Prozess ist, dessen Vereinfachung nur schwer möglich ist und mehr nach typischen Anhaltspunkten, als durch eine Werbekennzeichnung identifiziert wird.

Schlussfolgerung und Handlungsempfehlung
Aus den Ergebnissen lässt sich die Empfehlung ableiten, eine Handreichung, ähnlich wie die der Wettbewerbszentrale [9], zu erstellen, welche Hinweise zum Umgang mit Influencendenwerbung und Gesundheitsempfehlungen in Social Media bietet. Wünschenswert wäre auch, Supplementwerbung durch Influencende stärker zu kontrollieren, da sich diese aus nicht untersuchten Gründen häufig nicht an Kennzeichnungspflichten bzw. Health-Claim-Bestimmungen halten. Bei der Erstellung von Regelungen zur Werbegestaltung muss zukünftig ein besonderes Augenmerk auf die Gestaltung geworfen werden, da besonders Instagramstories mehr visuell als verbal arbeiten, und Verbrauchende darauf im Rahmen der individuellen Wahrnehmung stärker achten als auf einzelne Worte, z. B. Kennzeichnungen. Je stärker eine Story an eine Empfehlung, eine Rezeptvorstellung oder an einen privaten Post erinnert, desto eher neigen Verbrauchende dazu, Werbung nicht zu erkennen, obwohl bewusst ist, dass die influencende Person werblich tätig ist.
Letztlich sind Maßnahmen nötig, um zukünftig informierte Kaufentscheidungen von Verbrauchenden zu sichern, da der Einfluss von Influencenden auf diese vermutlich nicht sinken und dementsprechend eine starke Medien- und Werbekompetenz immer relevanter wird.



Angabe zu Interessenkonflikten und zum Einsatz von KI
Die Autorinnen erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht und bei der Erstellung des Manuskripts keine KI-Anwendungen eingesetzt wurden.


 



Hannah Wolf, B.Sc. Ernährungswissenschaften1
Prof. Dr. Michaela Noreik2

1 Hochschule Niederrhein (aktuell Masterstudentin der Ernährungswissenschaften Hochschule Niederrhein)
2 Professorin der Humanernährung an der Hochschule Niederrhein


Literatur

  1. Nielsen: Näher kommen: Influencer helfen Marken, persönlichere Kundenbeziehungen aufzubauen. www.nielsen.com/de/insights/2022/getting-closer-influencers-help-brands-build-more-personal-consumer-connections/  (last accessed on 28 April 2024).
  2. Bosse A: Glaubwürdigkeit von Fitness-Influencern auf Instagram: Einfluss auf die Konsumenteneinstellung, das Engagement und die Kaufbereitschaft. Winterthur: ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften 2019. DOI: 10.21256/zhaw-19620.
  3. Statista: Influencer-Kooperationen – Einfluss auf die Kaufentscheidung 2023. https://de-statista-com.printkr.hs-niederrhein.de:2443/statistik/daten/studie/1395793/umfrage/umfrage-einflusskaufentscheidung-influencer-marke-zusammenarbeit-deutschland/  (last accessed on 28 April 2024).
  4. Boerman S, Muller C: Understanding which cues people use to identify influencer marketing on Instagram: an eye tracking study and experiment. Int J Advert 2021; 41: 1–24.
  5. Heike Kreuz: Influencer-Werbung für Nahrungsergänzungsmittel. www.bzfe.de/service/news/aktuelle-meldungen/news-archiv/meldungen-2022/august/influencer-werbung-fuer-nahrungsergaenzungsmittel/  (last accessed on 28 April 2024).
  6. Schätzle M, Lerch C: Gesundheitsversprechen für Nahrungsergänzungsmittel auf Instagram – häufig abseits der Legalität. Eine Analyse bzgl. der Einhaltung der VO (EG) Nr. 1924/2006. CVUA Stuttgart. www.ua-bw.de/pubmobil/beitrag.asp?Thema_ID=2&ID=3577&subid=1  (last accessed on 28 April 2024).
  7. Verbraucherzentrale: Erschreckende Bilanz bei EU-weiten Kontrollen des Online-Handels. 2024. www.verbraucherzentrale.de/wissen/projekt-klartext-nem/erschreckende-bilanz-bei-euweiten-kontrollen-des-onlinehandels-28499  (last accessed on 28 April 2024).
  8. Lebensmittelklarheit: Empfehlungen von Influencern: Werbung durch die Hintertür. www.lebensmittelklarheit.de/informationen/empfehlungen-von-influencern-werbung-durch-die-hintertuer  (last accessed on 28 April 2024).
  9. Kiel C, Solf P: Leitfaden zur Kennzeichnung von Werbung auf Instagram. www.ihk.de/blueprint/servlet/resource/blob/4791424/14df5079138283d4dd914afea8fd900c/leitfaden-werbung-auf-instagram-data.pdf  (last accessed on 28 April 2024).


Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 9/2024 auf den Seiten M500 bis M501.

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