Getreideforschung: Proteomanalyse in Einkorn, Emmer, Dinkel, Hart- und Weichweizen

Weizen spielt als Grundnahrungsmittel eine große Rolle in der menschlichen und tierischen Ernährung. Zusammen mit Ballaststoffen, Mineralien und Vitaminen liefert er bei einem Verzehr von 100–150 g Weizenmehl täglich rund 20 % der täglich benötigten Menge an Protein. Gleichzeitig sind die Proteine im Weizenmehl wichtig für seine Backqualität. Deshalb ist die Kenntnis über die Gesamtheit aller im Getreide gebildeten Proteine (Proteom) für die Wahl der richtigen Sorte und die weitere zielgerichtete Züchtungsforschung von Bedeutung.

Die Inhaltsstoffe von Brot- oder Weichweizen und Hartweizen sowie von Dinkel, Emmer und Einkorn sind unterschiedlich. Für einen direkten Vergleich gab es bislang nur wenig aussagekräftige Daten. Vor diesem Hintergrund analysierten Forschende der Universitäten Hohenheim und Mainz die Gesamtheit aller im Vollkornmehl enthaltenen Proteine dieser fünf Weizenarten [1]. Von jeder Art untersuchten sie jeweils zehn Sorten. Um auch den Einfluss von Umweltfaktoren zu erfassen, wurden diese jeweils an drei verschiedenen Standorten angebaut.
Die Ergebnisse zeigen: In den 150 Mehlproben konnten 2896 verschiedene Proteine identifiziert werden – in jeder Art über 2500. Dabei unterschied sich bei den einzelnen Arten rund die Hälfte aller Proteine. „Viele der bekannten Proteine spielen eine Rolle für die Produktqualität, etwa bei der Bildung von Getreidestärke oder bei der Stressregulierung der Pflanzen, aber auch bei allergischen Reaktionen beim Menschen“, so Prof. Dr. Friedrich Longin von der Universität Hohenheim.
Ein nennenswerter Anteil der Proteine wird infolge von Umwelteinflüssen gebildet, doch viele Proteine treten in bestimmten Sorten verstärkt auf und sind abhängig vom Anbauort. Das ließe sich nutzen: Proteine, deren Vorkommen v. a. von der Sorte abhängt, könnten durch zielgerichtete Züchtung beeinflusst werden – für eine bessere Backqualität, für bessere Erträge, aber auch für eine bessere Verträglichkeit.
„Bis zu zehn Prozent der Menschen, die mit Weizenmehl hergestellte Produkte essen, klagen hinterher über Beschwerden. Einige im Weizen enthaltenen Proteine führen bei ihnen zur sogenannten Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität (NCWS), die bisher weniger gut definiert war, neben der Zöliakie – einer entzündlichen Dünndarmerkrankung, die durch Glutenproteine im Weizen hervorgerufen wird, oder einer klassischen (Soforttyp) Weizenallergie. Daneben gibt es aber auch eine viel häufigere Weizenallergie vom verzögerten Typ, insbesondere bei Patienten mit der Diagnose Reizdarm“, erklärt Prof. Dr. Dr. Detlef Schuppan von der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Dabei unterscheiden sich die untersuchten Weizenarten deutlich in der Menge ihrer potenziell allergenen Proteine. Vor allem die Menge an sog. ATIs (Alpha-Amylase/Trypsin-Inhibitoren), die im Verdacht stehen, für Entzündungsreaktionen verantwortlich zu sein, unterscheidet sich. Einkorn weist verglichen mit anderen Weizenarten eine deutlich geringere Menge an ATIs auf.

Literatur
1. Afzal M, Sielaff M, Distler U, et al.: Reference proteomes of five wheat species as starting point for future design of cultivars with lower allergenic potential. npj Sci Food 2023; 7: 9.

Quelle: Universität Hohenheim und Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, gemeinsame Pressemeldung vom 19.06.2023



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 10/2023 auf Seite M600.

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