Immunsystem: Ingwer versetzt Immunzellen in erhöhte Alarmbereitschaft

Ingwer soll das Immunsystem stimulieren. Diese These wird von einer aktuellen Studie des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der TU München (Leibniz-LSB@TUM) unterstützt.

Laut Statistischem Bundesamt hat sich mit ca. 31600 t die jährliche Einfuhrmenge von Ingwer innerhalb der letzten zehn Jahre fast vervierfacht. Doch auch wenn der Ingwerkonsum gestiegen ist, stellt sich die Frage, ob übliche Verzehrmengen ausreichen, um gesundheitliche Effekte zu erzielen – und wenn ja, welche Inhaltsstoffe und molekulare Mechanismen hierbei eine Rolle spielen. Ein Team um Veronika Somoza führte daher umfangreiche Untersuchungen durch: Ausgangspunkt bildeten die Ergebnisse einer früheren Pilotstudie, an der Gaby Andersen vom Leibniz-LSB@TUM maßgeblich beteiligt war [1]. Wie die Studie zeigt, gelangen ca. 30–60 Minuten nach dem Konsum von 1 L Ingwertee signifikante Mengen von Ingwerscharfstoffen ins Blut. Die mit Abstand höchsten Werte erzielte dabei der Scharfstoff [6]-Gingerol mit einer Plasmakonzentration von ca. 7–17 μg/L.
Der Ingwerscharfstoff [6]-Gingerol entfaltet seine „geschmackliche“ Wirkung über den sog. TRPV1-Rezeptor (= ein Ionenkanal, der auf der Oberfläche von Nervenzellen sitzt und auf Hitze- und Schmerzreize sowie auf Scharfstoffe aus Chili und Ingwer reagiert). Ebenso lassen einige Studien annehmen, dass auch weiße Blutkörperchen über den Rezeptor verfügen. Daher prüfte das Forschungsteam, ob [6]-Gingerol im Zusammenspiel mit dem Rezeptor die Aktivität solcher Immunzellen beeinflusst.
Zunächst gelang es, den Rezeptor in neutrophilen Granulozyten nachzuweisen. Die Zellen machen etwa zwei Drittel der weißen Blutkörperchen aus und dienen dazu, eindringende Bakterien abzuwehren. Weitere Laborversuche ergaben zudem, dass bereits eine sehr geringe Konzentration von knapp 15 μg [6]-Gingerol/L Nährmedium ausreicht, um die Zellen in eine erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen. So reagierten die stimulierten Zellen im Vergleich zu Kontrollzellen um etwa 30 % stärker auf ein Peptid, das eine bakterielle Infektion simuliert. Die Zugabe eines TRPV1-Rezeptor- spezifischen Hemmstoffs hob die durch [6]-Gingerol induzierte Wirkung wieder auf.
„Somit reichen zumindest im Versuch sehr geringe [6]-Gingerol- Konzentrationen aus, um über den TRPV1-Rezeptor die Aktivität von Immunzellen zu beeinflussen. Im Blut ließen sich solche Konzentrationen theoretisch durch den Konsum von gut einem Liter Ingwertee erzielen“, sagt Gaby Andersen. „Damit stützen unsere Ergebnisse die Annahme, dass der Konsum üblicher Ingwermengen ausreichen kann, zelluläre Antworten des Immunsystems zu modulieren“, schließt Veronika Somoza.

Literatur

  1. Andersen G, Kahlenberg K, Krautwurst D, Somoza V: [6]-Gingerol Facilitates CXCL8 Secretion and ROS Production in Primary Human Neutrophils by Targeting the TRPV1 Channel. Mol Nutr Food Res 2022; e2200434. 10.1002/mnfr.202200434. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/mnfr.202200434 
  2. Schoenknecht C, Andersen G, Schmidts I, Schieberle P: Quantitation of Gingerols in Human Plasma by Newly Developed Stable Isotope Dilution Assays and Assessment of Their Immunomodulatory Potential. J Agric Food Chem 2016; 64: 2269–79. 10.1021/acs.jafc.6b00030. https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.jafc.6b00030 

Quelle: Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie, Pressemeldung vom 14.02.2023



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 4/2023 auf Seite M210.

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