Ernährung – „Gewissheit“ im Fluss: Ernährung wirkt! Fachkongress Nutrition 2019 in Bregenz

(umk) Die 18. Dreiländertagung der ernährungsmedizinischen Fachgesellschaften und Verbände1 Nutrition 2019 vom 16. bis 18. Mai in Bregenz hatte als Motto Ernährung – „Gewissheit“ im Fluss gewählt. Denn auch in der Ernährungsforschung und der klinischen Ernährungspraxis gibt es neben immer besser belegten Zusammenhängen auch Paradigmenwechsel und neue Erkenntnisse, die Auswirkung auf Ernährungstherapie und Beratung haben.

Beispiele, die in fünf parallelen Vortagsreihen aufgegriffen wurden, sind z. B. Zeitpunkt, Dauer und Art der parenteralen Ernährung, die differenzierte Bewertung von Makro- und Mikronährstoffen, neue Ansätze der Diabetestherapie, die Bedeutung des Mikrobioms und jetzt auch des Mikroviroms sowie Langzeiterfolge (und Misserfolge) der Adipositastherapie.

Neben diesen z. T. sehr speziellen Inhalten bildete der Aspekt interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit – von der Ernährungsberatung, den HausärztInnen über Ernährungsteams in den Kliniken bis zum Entlassungsmanagement und HomeCare – eine alles umspannende Klammer.

Entsprechend gut besucht waren v. a. auch die Vorträge zu Best-Practice-Beispielen, etwa zu Nachhaltigkeitsaspekten in der Krankenhausverpflegung, der Ernährungstherapie bei Kurzdarmsyndrom oder zur Etablierung und Verstetigung von Ernährungsteams im Krankenhaus. Die Abstracts der Vorträge sind in [1] publiziert.

Auch wenn sich einzelne Einschätzungen und Therapieansätze im Verlauf der Jahre ändern, Gewissheit also im Fluss ist, so liefern evidenzbasierte Ansätze in der Ernährungstherapie doch zunehmend Belege für die Bedeutung qualifizierter Ernährungsberatung und ernährungstherapeutischer Maßnahmen. Auf große Aufmerksamkeit stießen daher die auf dem Kongress vorgestellten Ergebnisse der EFFORT-Studie, die aktuell im Lancet publiziert wurde (• Kasten). Die positiven Ergebnisse, z. B. number needed to treat = 25, um eine Verschlechterung des klinischen Outcomes zu vermeiden, bzw. 37, um vorzeitigen Tod zu vermeiden, liefern damit konkrete Argumente, um der klinischen Ernährung und der hier engagierten Berufsgruppen mehr Gewicht in der Debatte um eine gute Patientenversorgung zu verleihen.

Die Nutrition 2020 findet unter dem Motto Ernährung – Medizin fürs Leben vom 24. bis 27. Juni in Bremen statt.

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1 Die Dreiländertagung Nutrition wird jährlich von der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft Klinische Ernährung (AKE), der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) und der Gesellschaft für Klinische Ernährung der Schweiz (SSNC/GESKES) ausgerichtet und findet in Österreich und der Schweiz jeweils im Wechsel mit Deutschland statt. Unter den zahlreichen Kooperationspartnern sind auch der Berufsverband Oecothrophologie (VDOE), die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) und der Verband der Diätassistenten – Deutscher Bundesverband (VDD).

In der EFFORT-Studie wurden erstmals in einem Verbund von mehreren Schweizer Krankenhäusern an einem großen Kollektiv von 2 088 Patienten, die im Nutritional Risk Screening ein Mangelernährungsrisiko zeigten (NRS ≥ 3, 5 015 gescreente PatientInnen) eine placebokontrollierte Interventionsstudie durchgeführt. Das Durchschnittsalter der PatientInnen betrug 72,5 Jahre, der mittlere BMI 24,8. Während die Placebogruppe das klinikübliche Ernährungsregime erhielt, wurden die PatientInnen in der Interventionsgruppe individuell durch eine Diätberaterin betreut und erhielten eine angepasste Ernährungstherapie, u. a.:
• Anpassung der individuellen Ernährung (Zwischenmahlzeiten, orale Supplemente, ggf. enterale oder parenterale Ernährung)
• Zielgröße Proteinzufuhr 1,2–1,5 g/kg KG/Tag
• Energiezufuhr nach Harris-Benedict
Als primärer Endpunkt der Studie wurde „jeglicher ungünstige klinische Outcome innerhalb von 30 Tagen“ gewählt. Hierzu zählten u. a. Mortalität, Aufnahme auf Intensivstation, schwere Komplikationen wie Infektionen oder Organversagen innerhalb des Zeitraums sowie der Barthel-Index2 nach 30 Tagen. Zu den sekundären Endpunkten gehörten u. a. Parameter der Lebensqualität.
Die Ergebnisse sprechen für eine deutliche Wirksamkeit einer individuellen ernährungstherapeutischen Betreuung von PatientInnen mit Mangelernährungsrisiko. Die Studie wird als eine der wichtigsten ernährungsmedizinischen Arbeiten der letzten Jahre eingeschätzt [3].

Literatur

1. o. V. (2019) Ernährung – „Gewissheit“ im Fluss! Wissenschaftliche Abstracts. Aktuelle Ernährungsmedizin 44: 129–154
2. Schuetz P et al. (2019) Individualised nutritional support in medical inpatients at nutritional risk: a randomised clinical trial. Lancet [DOI: doi.org/10.1016/S0140-6736(18)32776-4]
3. o. V. (2019) Ernährung wirkt. Nutrition-News 2: 2–3

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2
Ein Punkte-Score zur Bewertung der Selbstständigkeit bei Alltagsfunktionen wie Essen, Anziehen usw. URL: www.dimdi.de/static/.downloads/deutsch/hamburger-manual-nov2004.pdf

Tab. 1: Ergebnisse der Ernährungsintervention in der EFFORT-Studie [2] für ausgewählte Endpunkte
Tab. 1: Ergebnisse der Ernährungsintervention in der EFFORT-Studie [2] für ausgewählte Endpunkte


Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 6/2019 auf Seite M319.

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