UGB-Tagungsbericht 2023: Ernährung aktuell

(spr) Die diesjährige Tagung des Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung (UGB) fand vom 12.–13. Mai in Gießen statt und spannte einen weiten Bogen von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen über Aspekte der Nachhaltigkeit bis hin zur Praxis der Ernährungsberatung. Hier einige ausgewählte Eindrücke.

Prof. Dr. Klaus Günther, Universität Bonn, stellte aktuelle Fakten zum Eisenstoffwechsel vor. Neuere Studien aus dem Jahr 2022 zeigen eine geringere Eisenabsorption bei Schwangeren als bisher angenommen. Daher ist wahrscheinlich mit einer Anhebung der Referenzwerte der EFSA zu rechnen. Ein Umdenken ist auch hinsichtlich der Bioverfügbarkeit des Eisens aus pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln gefordert. Nicht nur der Eisengehalt bestimmter pflanzlicher Quellen (Hülsenfrüchte, Nüsse, Vollkorngetreide, insb. Hafer), sondern auch die Bioverfügbarkeit ist zum Teil mit der Verfügbarkeit aus tierischen Quellen vergleichbar. Das ist in kürzlich aufgeklärten und beschriebenen Mechanismen begründet und betrifft insb. den Ferritin-Port, der die Absorption des kompletten Ferritin-Moleküls durch Endozytose durch die Enterozyten unter Beteiligung des Proteins Clathrin ermöglicht. Aufgrund der hohen Stabilität des Ferritins im Verdauungstrakt erreicht es problemlos die Enterozyten. Betrachtet man den Anteil ferritingebundenen Eisens in pflanzlichen Quellen (Nicht-Häm-Eisen), stellt man erhebliche Unterschiede auch innerhalb einer Lebensmittelgruppe fest: Im Falle der Hülsenfrüchte bewegen sich die prozentualen Anteile ferritingebundenen Eisens am Gesamteisengehalt zwischen 15 % (Kidneybohnen) und 69 % (Linsen). Die Eisengehalte beider Lebensmittel liegen bei 6,4 bzw. 6,0 mg/100 g. Weitere Lebensmittelgruppen müssen noch auf ihre Ferritingehalte untersucht werden. Die Berücksichtigung des ferritingebundenen Eisens könnte pflanzliche Lebensmittel als potente Eisenquelle künftig mehr in den Fokus rücken.
Jaqueline Veit (M. Sc. Ernährungswiss.), Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim UGB und Freiberufliche Ernährungsberaterin, brachte das Auditorium zu Advanced Glycation Endproducts (AGEs) und ihre Relevanz für die Gesundheit auf den aktuellen Wissensstand. AGEs sind Endprodukte der nicht-enzymatischen Bräunungsreaktion (Maillard-Reaktion), einer Reaktionskette zwischen Lipiden, Proteinen oder Nukleinsäuren mit Kohlenhydraten. Die Vertreter dieser Stoffgruppe sind nicht abbaubar und werden mit vielen chronischen Erkrankungen in Verbindung gebracht. Sie beeinträchtigen durch ihre Anlagerung die Struktur und Funktionalität betroffener Zellen und Gewebe und können als Biomarker für Alterungsprozesse dienen. AGEs können endogen sowie exogen entstehen. Die endogene Bildung wird durch den Verzehr von Kohlenhydraten mit hohem glykämischem Index gefördert und kann durch Rauchen zusätzlich getriggert werden. Auch eine fettreiche Ernährung, oxidativer Stress sowie chronische Entzündungen sind typische Triggerfaktoren. Die exogene Zufuhr erfolgt über AGE-reiche Lebensmittel. Ferner ist die AGE-Entstehung im Lebensmittel von der Zubereitungsweise abhängig. Für die AGE-Anlagerung werden in Abhängigkeit von der Menge der aufgenommenen AGEs spezielle Oberflächenrezeptoren (RAGE = receptor for advanced glycation products) auf vielen Körperzellen exprimiert. Zusätzlich werden Adhäsionsmoleküle gebildet. Bereits die Bindung der AGEs an die Rezeptoren an der Zelloberfläche induziert eine inflammatorische Kettenreaktion, vermittelt über den intrazellulären Rezeptor NN-қB. Langfristig können sich daraus chronische Erkrankungen entwickeln. Die AGEs werden als Einflussfaktoren auf die Pathogenese von Übergewicht, Artherosklerose, Insulinresistenz bzw. Diabetes mit den Spätfolgen Neuro-, Nephro- und Retinopathie sowie Krebserkrankungen gesehen.
Aus diesen Erkenntnissen lassen sich grundsätzliche Empfehlungen zu einer AGE-armen  Ernährungsweise ableiten. Um die exogene AGE-Zufuhr zu reduzieren, werden möglichst gering verarbeitete bzw. schonend verarbeitete Lebensmittel und Speisen empfohlen. Lebensmittel mit hohem glykämischen Index sowie Fleisch- und Wurstwaren (insb. Sorten mit hohem Fettgehalt) sollten weitestgehend durch Vollkornprodukte bzw. pflanzliche Lebensmittel ersetzt werden. Positiv lässt sich abschließend anmerken, dass AGEs zwar nicht verstoffwechselt werden können, aber durchaus durch immunologische Mechanismen wie Apoptose sowie Phagozytose eliminiert werden. Auch ein Abbau durch Autophagie beim Fasten ist möglich.

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