UGB-Tagungsbericht 2023: Ernährung aktuell

Mit ihrem Vortrag „Vollwertig ernährt trotz steigender Preise“ griff Silvia Monetti (M. Sc.) von der Verbraucherzentrale NRW die aktuelle Problematik der enormen Preissteigerungen im Lebensmittelsektor auf. Wie erklären sich die Entwicklungen und ist eine ausgewogene Versorgung für finanzielle Randgruppen noch umsetzbar? Die Verbraucherpreisdaten sind Durchschnittsdaten des Statistischen Bundesamts, die auf Jahresvergleichen beruhen. Die Preisentwicklungen leiten sich multifaktoriell ab. Zum einen tragen die gestiegenen Energiepreise und die gestörten Lieferketten, verursacht durch den Ukraine-Krieg, erheblich zu den gestiegenen Preisen bei. Zusätzlich trugen schlechte Ernten und die Anhebung des Mindestlohns zu der Entwicklung bei, ebenso die Spekulation an den Warenterminbörsen. Die dadurch bedingte Verunsicherung der Verbraucher*innen, Staaten und Unternehmen förderte eine Neigung zum „Hamstern“ von Vorräten. „Ausreißer“ wie z. B. drastisch gestiegene Preise für manche Lebensmittel werden durch die Durchschnittsdaten nicht abgebildet. Auch der Jahresvergleich täuscht über die rasante Preisentwicklung seit 2021 hinweg, denn bereits seit Juni 2021 ist ein deutlicher Anstieg der Lebensmittelpreise zu verzeichnen, zum Teil um 100 %. Der harmonisierte Verbraucherpreisindex lag im Februar 2023 im Vergleich zum Vorjahresmonat bei + 43 %. Dabei stiegen die Preise der Handelseigenmarken stärker an als die Preise der Markenprodukte. Nicht auszuschließen sind Mitnahmeeffekte, die jedoch aufgrund intransparenter Preisbildung nicht nachvollziehbar sind. Erst auf den zweiten Blick werden versteckte Preiserhöhungen wahrgenommen: Bei gleichem Preis verringert sich der Packungsinhalt, ⇒ lesen Sie hierzu „Mogelpackungen – das ulitimative Nudging“ in ERNÄHRUNG UMSCHAU 3/2023 Seite M200. Auch ein sog. Downgrading wird praktiziert, indem teurere, hochwertigere Zutaten gegen günstigere Alternativen ausgetauscht werden. So enthält bspw. die Dreiviertelfettmargarine (60 %) einer bekannten Marke nun 36 % Rapsöl statt zuvor 46 %, dafür aber mehr Wasser. Der Marktcheck der Verbraucherzentrale brachte ferner sehr hohe Preisdifferenzen vergleichbarer Artikel von bis zu etwa 400 % zwischen verschiedenen Einzelhändlern hervor. Bei Discountern waren diese Preisspannen geringer. Dennoch müssen sie nicht immer die günstigsten Anbieter sein. Für die Verbraucher*innen ist diese Entwicklung deutlich spürbar. Insbesondere Haushalte mit geringem Einkommen geben bis zu 70 % ihres Einkommens für die Deckung der Grundbedürfnisse aus. Da ernährungsphysiologisch günstige Lebensmittel oft teurer sind als energiedichte Lebensmittel mit geringer Nährstoffdichte und hohem Zucker- bzw. Fettanteil, ist eine ausgewogene Ernährung für diese Bevölkerungsgruppen immer schwieriger zu erreichen. Mit dem ALG-II-Regelsatz (seit Januar 2023 Bürgergeld) für Lebensmittel ist sie laut aktueller Datenlage nicht realisierbar. Eine Ausnahme können Betroffene mit guten Kenntnissen und Kompetenzen hinsichtlich der Ernährung darstellen, die sich auch aus günstigen Lebensmitteln ausgewogen versorgen können. Die Verbraucherzentrale fordert flankierende sozialpolitische Maßnahmen, um allen Bevölkerungsgruppen eine Ernährung nach DGE-Empfehlungen zu ermöglichen.



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 7/2023 auf den Seiten M404 bis M405.

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