Lebensmittelindustrie: Kellogg’s 1st Nutrition Summit

(stg) Im Mai dieses Jahres lud Kellogg’s zum ersten Nutrition Summit EMEA1 nach Spanien ein. Erklärtes Ziel war es, Gesundheitsakteure zusammenzubringen und einen wissenschaftlichen Diskurs zu führen, von dem auch der Zerealienhersteller in seiner künftigen Ausrichtung profitieren will. Unter den Teilnehmern aus 16 Ländern waren u. a. (Ernährungs)Wissenschaftler, Mediziner, Food Blogger, NGOs wie Action on Sugar, Psychologen und natürlich Kellogg’s-Vertreter und die Fachpresse. Fokus des Summit war die Rolle der Lebensmittelindustrie, speziell von Kellogg’s, im Bereich Public Health („Volksgesundheit“). Durch die zweitätige Veranstaltung führte Dr. Toine Hulshof, Director of Nutrition Science, Kellogg EMEA.

Ballaststoffe, Anreicherung und Produktinnovationen

Breakfast, von „breaking the fast“, also quasi Fastenunterbrechung, ist nach Kellogg’s verständlicher­weise „die wichtigste Mahlzeit des Tages“. Prof. Govind Makharia aus Neu Delhi und Angie Jeffer­son aus Großbritannien zeigten, dass Frühstückszerealien zu einer höheren Ballaststoffaufnahme beitragen und dem sog. fiber gap entgegenwirken können: In Eu­ropa liegt die Zufuhr im Schnitt nur bei 20 statt der empfohlenen 30 g/Tag.

Dass angereicherte Produkte zudem einen Beitrag zur Mi­kronährstoffversorgung leis­ten, konstatierte Dr. Helen McNulty von der University of Ulster/Irland. Am Beispiel Folat zeigte sie, dass angerei­cherte Lebensmittel und Sup­plemente effektiver seien, um den Folatstatus zu optimieren, als ein erhöhter Konsum von natürlicherweise folatreichen Lebensmitteln. Die meisten Kellogg’s Produkte sind daher mit B-Vitaminen und Eisen, manche auch mit Vitamin D und Kalzium angereichert. In­grid Belmans, Innovation Direc­tor von Kellogg’s, gab aber zu bedenken, dass in Deutschland nur ca. 20 % der Verbraucher angereicherte Produkte akzep­tieren, hier werden daher eher unangereicherte Produkte auf den Markt gebracht.

Im Vortrag von Dr. James Betts, University of Bath/Groß­britannien, wurde hingegen auch diskutiert, was alles als Frühstück gelten kann und ob Erwachsene überhaupt eines brauchen. Interessant waren insb. die Ein­blicke in die Produktentwick­lung. Ingrid Belmans verriet, dass Neuentwicklungen wie die auf dem Summit vorgestellte Urlegenden-Reihe mit Quinoa, Chiasamen etc. erst dann zur Marktreife gebracht werden, wenn die Bestandteile nicht mehr nur z. B. in Reformhäu­sern, sondern auch in Main­stream-Geschäften wie Bio-Su­permärkten erhältlich und breit akzeptiert sind.

Kritikpunkte: Zucker & Salz
Seit 2008 hat Kellogg’s den Salzgehalt seiner Produkte verringert, mittlerweile im Schnitt um 50 %. Innerhalb der letzten 10 Jahre wurde auch sukzessive der viel kriti­sierte Zuckergehalt reduziert, je nach Produkt um 10–71 %. Nordeuropäer wie Skandina­vier und Deutsche akzeptieren größere Zuckerreduktionen als bspw. Italiener oder Nati­onen im Nahen Osten. Folge ist jedoch manchmal – trotz schrittweiser Verminderung – ein niedrigerer Absatz. In Workshops wurde diskutiert, wie niedrig der Zuckerge­halt letztendlich sein soll und kann, unter geschmacklichen, gesundheitlichen, technologi­schen und unternehmerischen Gesichtspunkten.

Nachhaltigkeit
Bruce Leaner stellte Kellogg’s Frühstücksprogramm für Kinder in sozioökonomisch schwächeren Stadtteilen vor, Ann Noble präsentierte das Nachhaltigkeitsprogramm des Konzerns. Kellogg‘s will bis 2020 die zehn wichtigs­ten Rohstoffe „verantwort­lich“ beschaffen. Bauern bis ca. 20 000 m2 Land werden unterstützt, bspw. erhielten Quinoabauern in Bolivien, wo 70 % des Quinoa weltweit erzeugt wird, Bewässerungs­systeme. Auch europäische Erzeuger erhalten Hilfsmittel und Know-how im Hinblick auf Bodenfruchtbarkeit, Bio­diversität usw. Die Verringe­rung des Wasserverbrauchs und des Ausstoßes klimawirk-samer Gase stehen eben­falls auf der firmeneigenen Agenda. Leider wurde nicht beantwortet, an welcher Stelle auf der Nachhaltigkeitsskala, die die Nachhaltigkeitsbera­terin Ann-Marie Boulder aus Großbritannien vorstellte, sich Kellogg’s einordnet: Nachhaltigkeitspionier oder „Mitläufer“?

Kellogg’s produziert ge­treidebasierte, also pflanzliche Lebensmittel, teils mit relativ hohem Ballaststoffgehalt und angereichert mit kritischen Mikronährstoffen – erst einmal lobenswert. Kritisiert werden – nicht nur bei diesem Anbie­ter – zu Recht Zucker- und Salzgehalt, der im Vergleich mit bspw. Haferflocken hohe Verarbeitungsgrad und die an Kinder gerichtete Werbung. Genau diese Punkte tragen aber der Unternehmensaussage zufolge auch zur Beliebtheit bei und sichern den Umsatz. Da Kellogg’s sich als Lebens­mittel- und nicht als Gesund­heitsproduktehersteller sieht, haben sie den Konsumenten und dessen Gesundheit zwar auch im Blick, hauptsächlich aber seine Geschmacksvor­lieben. Anerkennenswert ist, dass sich Kellogg’s trotz oder gerade wegen der Kritik dem ernährungswissenschaftlichen Diskurs stellt. Wünschens­wert für die nächsten Veran­staltungen dieser Art wäre es, wenn sich die Referenten zeit­lich und von der Art der Mo­deration her möglichst allen Fragen und Anregungen aus dem Publikum stellen würden bzw. könnten, speziell auch den etwas kritischeren Fragen zum Unternehmen selbst. Dass sich der Zerealienherstel­ler sozial und ökologisch enga­giert, trifft auch nicht nur auf Lob, sondern teils auf Miss­trauen, denn natürlich dient dies auch (oder haupsächlich?) dem Image – hier wird speku­liert.

Aber: Nachhaltigkeits­bemühungen und soziales Engagement sind lobenswert, denn sie zeigen Wirkung. Gerade im Hinblick auf immer besser informierte Verbrau­cher, den anhaltenden Clean Eating- und Vegan-Trend und das wachsende Nachhal­tigkeitsbewusstsein ist dies der Weg in die Zukunft für Lebensmittelhersteller: Dialog mit der Fachwelt, Offenheit und der Fokus Nachhaltigkeit.

William K. Kellogg brachte mit Toasted Corn Flakes 1906 das erste Kellogg’s-Produktauf den Markt. 1970 wurde die erste Nutrition Policy u. a. zu den Anreicherungspraktiken veröffentlicht und Kellogg’s deklarierte als erster in der Branche den Zuckergehalt. Mittlerweile ist Kellogg’s der weltweit führende Zerealienhersteller, seine Produkte sind in über 180 Ländern erhältlich.

1 „Ernährungsgipfel“ Europe, MiddleEast [Naher Osten], Africa



Exkurs: weiche vs. harte Textur & Essverhalten
Professor Kees De Graaf von der Wageningen University in den Niederlanden betonte, dass wir weniger weiche, „vorgekaute“ und dafür mehr „slow foods“, d. h. härtere Lebensmittel brauchen: Die Bissen werden dadurch kleiner, der Kauprozess länger, die Ener­gieaufnahme niedriger. Eines seiner Beispiele: 1 kg Trauben als Saft oder Smoothie lässt sich leichter verzehren als 1 kg Traubenmus mit dem Löffel oder sogar 1 kg Trauben pur.



Diesen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 08/16 auf Seite M444.

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