Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität: Einfluss von Weizensorten und Anbaubedingungen
- 12.08.2016
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- Redaktion
Einige Menschen leiden an Unverträglichkeitsreaktionen gegen Weizen, z. B. der umstrittenen Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität (NCWS)1. Als mögliche Auslöser gelten bestimmte Proteine im Weizen. Mediziner, Analytiker und Agrarwissenschaftler der Universitäten Mainz und Hohenheim erforschen im DFG-geförderten Kooperationsprojekt „Weizensensitivität: Einfluss von Weizensorten und Anbaubedingungen auf die angeborene Immunität“ die Unverträglichkeit von Weizen.
Seit kurzem stehen laut PD Dr. Friedrich Longin α-Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATIs) als Aktivatoren der angeborenen Immunität im Darm unter Verdacht, diese Art der Unverträglichkeit auszulösen. Longin ist wissenschaftlicher Leiter des Arbeitsgebiets Weizen an der Universität Hohenheim und Mit-Initiator des Kooperationsprojekts.
Die ATIs sind natürliche Proteine, die im Weizen vorkommen. Wie viele Proteine genau zu dieser Familie gehören, und wie sehr der Gehalt und die Zusammensetzung von der Sorte und den Umweltbedingungen im Anbau abhängen, ist aber noch unzureichend bekannt. „Bei einer Gruppe von Menschen scheinen die ATIs aus glutenhaltigen Getreiden wie Weizen ab einer bestimmten Menge entzündliche Reaktionen im Körper zu aktivieren bzw. zu verstärken. Das kann bei den Betroffenen Bauchschmerzen, insbesondere aber auch Benommenheit, Müdigkeit, Gelenk- und Muskelschmerzen, Hautveränderungen, depressive Stimmung und insgesamt eine Verschlechterung einer chronischen Erkrankung verursachen“, erklärt Professor Schuppan, Leiter des Instituts für Translationale Immunologie der Universitätsmedizin Mainz. In hoher Menge aufgenommen aktivieren die Weizen-ATIs den Teil des Immunsystems, der sonst für das Erkennen von Krankheitserregern verantwortlich ist. Dieser setzt daraufhin u. a. entzündliche Proteine frei und könnte so die Beschwerden der Betroffenen verursachen. Eine Untersuchung zum ATI-Gehalt gibt es bisher nur aus den USA und nur an einer dort heimischen Weizensorte. „Da das Vorkommen dieser Proteine aber besonders von der einzelnen Sorte und den Anbaubedingungen, also auch den Umwelteinflüssen, abhängt, brauchen wir eigene und standardisierte Untersuchungen für die Weizenzüchtung in Deutschland“, konstatiert Prof. Dr. Stefan Tenzer, Leiter der Core Facility für Massenspektrometrie am Institut für Immunologie der Universitätsmedizin Mainz.
An drei verschiedenen Standorten in Hohenheim bauen die Forscher 150 Weizensorten an. Die Bandbreite reicht von modernen „Elite“sorten, wie sie aktuell von Bauern verwendet werden, bis zu wichtigen alten Weizensorten, die in den 1960er–1990er Jahren angebaut wurden. Inzwischen sind die Weizensorten geerntet und werden nun genauer im Labor untersucht.
Dabei verfolgen die Forscher drei Erkenntnisziele:
- Herausfinden, wie der natürliche ATI-Gehalt in den verschiedenen Weizensorten zustande kommt. Dazu gehört, ob es Unterschiede in den ATIs alter und neuer Sorten gibt, wie weit diese genetisch von den einzelnen Sorten abhängen und wie weit sie durch Umwelteinflüsse beeinflusst werden.
- Erforschen, wie viele Proteine überhaupt zur Familie der ATIs in den untersuchten Weizensorten gehören und welche dieser Proteine primär die Immunantworten auslösen.
- Erkennen, ob der ATI-Gehalt mit den Backeigenschaften zusammenhängt und wie der ATI-Gehalt in den Getreiden vererbt wird. Dazu wird der Weizen nach klassischen Qualitätskriterien bewertet. Mittelfristig sollen die Erkenntnisse helfen, neue Weizensorten zu züchten, die auch für empfindliche Bevölkerungsgruppen gut verträglich sind und trotzdem gute Backfähigkeit besitzen.
Quelle: Universität Hohenheimund Universitätsmedizin Mainz,Gemeinsame Pressemeldung vom22.03.2016
1 Auch unter dem Namen Nicht-Zöliakie-Gluten-Sensitivität (NCGS) geläufig.Der genaue Auslöser ist nochnicht bekannt. Das Special zuWeizen und NCGS ab S. M458 indiesem Heft.
Diesen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 08/16 auf Seite M443.