Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität: Einfluss von Weizensorten und Anbaubedingungen

Einige Menschen leiden an Un­verträglichkeitsreaktionen gegen Weizen, z. B. der umstrittenen Nicht-Zöliakie-Weizensensitivi­tät (NCWS)1. Als mögliche Aus­löser gelten bestimmte Proteine im Weizen. Mediziner, Analy­tiker und Agrarwissenschaftler der Universitäten Mainz und Ho­henheim erforschen im DFG-ge­förderten Kooperationsprojekt „Weizensensitivität: Einfluss von Weizensorten und Anbaubedin­gungen auf die angeborene Im­munität“ die Unverträglichkeit von Weizen.

Seit kurzem stehen laut PD Dr. Friedrich Longin α-Amyla­se-Trypsin-Inhibitoren (ATIs) als Aktivatoren der angebore­nen Immunität im Darm unter Verdacht, diese Art der Unver­träglichkeit auszulösen. Longin ist wissenschaftlicher Leiter des Arbeitsgebiets Weizen an der Universität Hohenheim und Mit-Initiator des Kooperations­projekts.

Die ATIs sind natürliche Pro­teine, die im Weizen vorkom­men. Wie viele Proteine genau zu dieser Familie gehören, und wie sehr der Gehalt und die Zusammensetzung von der Sorte und den Umweltbedingungen im Anbau abhängen, ist aber noch unzureichend bekannt. „Bei einer Gruppe von Menschen scheinen die ATIs aus glutenhalti­gen Getreiden wie Weizen ab einer bestimmten Menge entzündliche Reaktionen im Körper zu akti­vieren bzw. zu verstärken. Das kann bei den Betroffenen Bauch­schmerzen, insbesondere aber auch Benommenheit, Müdigkeit, Gelenk- und Muskelschmerzen, Hautveränderungen, depressive Stimmung und insgesamt eine Verschlechterung einer chroni­schen Erkrankung verursachen“, erklärt Professor Schuppan, Leiter des Instituts für Translationale Immunologie der Universitäts­medizin Mainz. In hoher Menge aufgenommen aktivieren die Wei­zen-ATIs den Teil des Immunsys­tems, der sonst für das Erkennen von Krankheitserregern verant­wortlich ist. Dieser setzt darauf­hin u. a. entzündliche Proteine frei und könnte so die Beschwer­den der Betroffenen verursachen. Eine Untersuchung zum ATI-Ge­halt gibt es bisher nur aus den USA und nur an einer dort hei­mischen Weizensorte. „Da das Vorkommen dieser Proteine aber besonders von der einzelnen Sorte und den Anbaubedingungen, also auch den Umwelteinflüssen, ab­hängt, brauchen wir eigene und standardisierte Untersuchun­gen für die Weizenzüchtung in Deutschland“, konstatiert Prof. Dr. Stefan Tenzer, Leiter der Core Facility für Massenspektrometrie am Institut für Immunologie der Universitätsmedizin Mainz.

An drei verschiedenen Stand­orten in Hohenheim bauen die Forscher 150 Weizensorten an. Die Bandbreite reicht von mo­dernen „Elite“sorten, wie sie aktuell von Bauern verwen­det werden, bis zu wichtigen alten Weizensorten, die in den 1960er–1990er Jahren ange­baut wurden. Inzwischen sind die Weizensorten geerntet und werden nun genauer im Labor untersucht.

Dabei verfolgen die Forscher drei Erkenntnisziele:

  • Herausfinden, wie der na­türliche ATI-Gehalt in den verschiedenen Weizensorten zustande kommt. Dazu ge­hört, ob es Unterschiede in den ATIs alter und neuer Sor­ten gibt, wie weit diese gene­tisch von den einzelnen Sor­ten abhängen und wie weit sie durch Umwelteinflüsse beeinflusst werden.
  • Erforschen, wie viele Proteine überhaupt zur Familie der ATIs in den untersuchten Wei­zensorten gehören und welche dieser Proteine primär die Im­munantworten auslösen.
  • Erkennen, ob der ATI-Gehalt mit den Backeigenschaften zusammenhängt und wie der ATI-Gehalt in den Getrei­den vererbt wird. Dazu wird der Weizen nach klassischen Qualitätskriterien bewertet. Mittelfristig sollen die Erkennt­nisse helfen, neue Weizensorten zu züchten, die auch für emp­findliche Bevölkerungsgruppen gut verträglich sind und trotz­dem gute Backfähigkeit besitzen.


Quelle: Universität Hohenheimund Universitätsmedizin Mainz,Gemeinsame Pressemeldung vom22.03.2016

1 Auch unter dem Namen Nicht-Zöliakie-Gluten-Sensitivität (NCGS) geläufig.Der genaue Auslöser ist nochnicht bekannt. Das Special zuWeizen und NCGS ab S. M458 indiesem Heft.



Diesen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 08/16 auf Seite M443.

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