Ernährungssicherung: Hirse in der Bronzezeit

Forschende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben den Ausbreitungsweg von Rispenhirse im Detail rekonstruiert und herausgefunden, dass das Getreide damals von Ostasien nach Mitteleuropa verbreitet wurde. Sie schlussfolgern, dass bereits vor 3 500 Jahren die Menschen in einer globalisierten Welt lebten [1].

© Wiebke Kirleis
© Wiebke Kirleis

Leicht anzubauen, kurze Wachstumsperiode und Dürreresistent: Die Rispenhirse (Panicum miliaceum) gehört heute zu den bedeutendsten Nahrungsmitteln für die Welternährung. Diese Vorteile wussten schon die Menschen in der Bronzezeit zu schätzen. Ein Team um Prof. Dr. Wiebke Kirleis, stellvertretende Sprecherin des Sonderforschungsbereich „TransformationsDimensionen“ an der CAU hat dies herausgefunden. In dem Sammelband „Millet and What Else? The Wider Context of the Adoption of Millet Cultivation in Europe“ liefern die WissenschaftlerInnen den Kontext zur prähistorischen Ausbreitung der Hirse in Europa.
Die Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) ernannte das Jahr 2023 zum „Internationalen Jahr der Hirse“. In Zeiten zunehmender Klimaerwärmung sollen Hirsesorten als dürreresistente Getreide die Ernährung der Bevölkerung sichern, wenn andere Getreide ausfallen.
Durch ihre kurze Wachstumsperiode von nur drei Monaten kann sie in Nordeuropa als Ausfallfrucht eingesetzt werden, wenn Spätfrost andere Getreide zerstört hat. Außerdem lässt sie sich gut lagern. Die kleinen Getreidekörner sind fest in Spelzen verpackt was sie vor Insekten und Pilzbefall schützt. Außerdem ist die Hirse im Vergleich zu anderen Getreiden einfacher zuzubereiten. Sie muss nicht lange kochen, sondern kann durch Quellen in einem Lederbeutel oder einer Schale mit heißem Wasser zubereitet werden. Das macht sie zu einem „Superfood to go“ – für mobile Reiternomaden ebenso wie für sesshafte Bauern. Diese Vorteile führten zur weltweiten Ausbreitung der Rispenhirse. Von China aus wurde sie nach vielen Jahren der Domestikation in der Bronzezeit nach Westen hin verbreitet. Die WissenschafterInnen konnten zeigen, dass die Hirse um 1600 v. Chr. die nördliche Schwarzmeerregion erreichte und um 1500 die Po-Ebene in Norditalien. Um 1400 v. Chr. überquerte sie die Alpen und um 1200 erreichte sie Nordeuropa. Die Hirse diente ab der Bronzezeit als wichtige Quelle zur Sicherung der Ernährung in weiten Teilen des bronzezeitlichen Europas.
Laut Prof. Kirleis brach während der Bronzezeit die Versorgung mit Bronze zwischenzeitlich zusammen, das einst über überregionale Netzwerke eingeführte Getreide hingegen wurde von den Menschen in allen Regionen bereits selbst angebaut. Die Versorgung mit Hirse blieb also gesichert. Überregionale Beziehungen sind von außerordentlicher Wichtigkeit, sie stoßen Innovationen an und tragen zur Völkerverständigung bei. Die bronzezeitlichen Fallbeispiele von Hirse verdeutlichen jedoch die Vorteile autarker Versorgung gegenüber komplexen Handelsketten. „Die Menschen der Bronzezeit lebten ebenso wie wir in einer vernetzten Welt, doch sie waren uns diesen wichtigen Schritt voraus. Sie wussten bereits, dass lebensnotwendige Bedürfnisse mit den lokalen Möglichkeiten gedeckt werden sollten“, fährt Wiebke Kirleis fort.

Literatur
1. Kirleis W, Dal Corso M, Filipović D: Millet and what else? The Wider Context of the Adoption of Millet Cultivation in Europe. Scales of Transformations in Prehistoric and Archaic Societies, vol. 14. Sidestone Press (Leiden 2022). www.sidestone.com/books/millet-and-what-else 

Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Pressemeldung vom 7./10.06.2022



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 8/2022 auf Seite M408.

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