Beratung: Ärzte sehen informierte Patienten kritisch
- 12.09.2016
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- Redaktion
Patienten bzw. Klienten informieren sich immer häufiger selbst über Krankheiten, Behandlungsmöglichkeiten oder Kassenleistungen. Bei niedergelassenen Ärzten ist dieses Verhalten umstritten, oft raten sie Patienten von einer eigenen Recherche ab.
Mehr als die Hälfte der niedergelassenen Ärzte findet informierte Patienten mindestens problematisch. 45 % stimmen außerdem der Aussage zu, die Selbstinformation der Patienten erzeuge vielfach unangemessene Erwartungen und Ansprüche, die die Arbeit der Ärzte belaste. Dies geht aus einer Online-Umfrage der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK hervor. 30 % der Ärzte sind der Ansicht, dass die Selbstinformation die Patienten meist verwirre und das Vertrauen zum Arzt beeinträchtige. Knapp ein Viertel rät Patienten sogar von der eigenständigen Suche nach Informationen ab.
Der Trend ist allerdings ein anderer: „Es ist eine unumkehrbare Entwicklung, dass immer mehr Patienten ihre Krankheitssymptome und die dazugehörigen Therapiemöglichkeiten im Internet recherchieren“, sagt Dr. Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung. Daher sollten Ärzte die Selbstinformation ihrer Patienten als Chance betrachten und fördern. „Auch was das Thema Gesundheit angeht, sind die Menschen heutzutage viel anspruchsvoller und selbstbewusster. Ein gut informierter Patient, der auf Augenhöhe mit dem Arzt über Krankheit und Behandlungsoptionen diskutiert, sollte das Ziel aller an der Versorgung Beteiligten sein“, so Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER GEK.
Fast alle niedergelassenen Ärzte (98 %) geben der Umfrage zufolge an, dass sich der Trend zur Selbstrecherche medizinischer Fragen in den vergangenen 5 Jahren verstärkt hat. Gut 40 % der Ärzte freuen sich über das Interesse der Patienten, knapp 10 % ärgern sich allerdings, dass der Patient sich nicht zuerst an sie gewandt hat. Nur etwa 10 % der Ärzte fragen sich, ob der Patient sich zuvor mehr Beratung gewünscht hätte.
Nur 56 % der Ärzte haben nach eigenen Angaben vertrauenswürdige Informationsmaterialien in ihrer Praxis ausliegen und geben diese ihren Patienten mit. Knapp 50 % weisen ihre Patienten auf gute Informationsquellen hin und ebenfalls knapp 50 % der Ärzte suchen selbst nach geeigneten Informationen für ihre Patienten. Nur 15 % der Ärzte kennen sich nach eigenen Angaben eher nicht so gut oder überhaupt nicht gut mit den für Patienten verfügbaren Informationsangeboten aus.
Anmerkung der Redaktion: Die Online-Umfrage der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK wurde 2015 durchgeführt. Befragt wurden ambulant tätige niedergelassene Ärzte aus verschiedenen Fachbereichen. Für die Datenanalyse liegen 804 Online-Fragebögen von Ärzten/-innen vor. Autorin der Studie ist Anja Bittner (Ärztin und Mitbegründerin der mehrfach ausgezeichneten Internetseite washabich.de)
Quelle: Bertelsmann Stiftung, Pressemeldung vom 13.06.2016
Diesen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 09/16 auf Seite M497.