Leserbrief zum Interview mit Dr. Markus Keller in Ernährungs Umschau 7/2016

  • 12.09.2016
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  • Christian Zimmermann
  • Marius Schild
  • Markus Keller
  • Dr. Udo Maid-Kohnert

Umwelteffekte von Lebensmitteln: Warum der Bezug zum Lebensmittelgewicht zu kurz greift

Mit großem Interesse haben wir sowohl das Special zum Thema Pflanzendrinks von Dr. Kristina FOTEREK als auch das anschließende Interview mit Dr. Markus KELLER gelesen.

Wie im Artikel von Dr. FOTEREK unter „Umweltaspekte“ dargestellt, sind die Auswirkungen der Milch- bzw. Pflanzendrink- Produktion auf die Umwelt aufgrund der unterschiedlichen Nährwertgehalte nicht auf Basis von Gramm-Angaben zu vergleichen [1]. Als Beispiel nennt FOTEREK den Proteingehalt, der zwischen Kuhmilch und Pflanzendrinks verschieden ist. Ebenso geht sie auf weitere Unterschiede im Kohlenhydrat- und Fettgehalt, der Proteinqualität und dem Vitamin- und Mineralstoffgehalt ein. Diese Aussagen teilen wir und sind der Meinung, dass neben dem Proteingehalt ebenso die Proteinwertigkeit und weitere „wertgebende“ Inhaltstoffe wie Fett, Fettsäurezusammensetzung, Vitamine und Mineralstoffe eine entscheidende Rolle bei der Bewertung eines Lebensmittels in Bezug auf Umweltauswirkungen spielen. Ein ganz entscheidender Faktor, der bereits von TOM et al. [2] als Berechnungskriterium herangezogen wurde, ist der Kaloriengehalt.1 Für ein Lebensmittel mit einem höheren Energiegehalt ist somit auch ein erhöhter Einsatz von Ressourcen bzw. Energie nötig. Man fragt sich daher, warum Dr. KELLER im auf den Beitrag folgenden Interview [3] die Argumentation von FOTEREK nicht aufgreift, sondern die CO2-Emission bzw. -Äquivalente auf Mengenangaben bzw. Gramm- oder Kilogrammangaben bezieht.

Eine umfassende Bewertung der Umwelteffekte kann unserer Meinung nach nicht anhand des Lebensmittelgewichts erfolgen. Vielmehr wäre es nötig, hier eine Nährstoff-Matrix zu erstellen, die neben dem Kaloriengehalt ebenfalls den Gehalt an Makro- und Mikronährstoffen mit einbezieht. Ein Ansatz, dessen Umsetzung mit Sicherheit sehr komplex ist, für eine sachliche Diskussion jedoch unabdingbar erscheint.

Dr. Christian Zimmermann
Marius Schild

Justus-Liebig-Universität Gießen
Institut für Ernährungswissenschaft
E-Mail: christian.a.zimmermann@ernaehrung.uni-giessen.de

Literatur:
1. Foterek K (2016) Pflanzliche Milchalternativen. Ernährungs Umschau 63(7): M414–M419
2. Tom MS et al. (2016) Energy use, blue water footprint, and greenhouse gas emissions for current food consumption patterns and dietary recommendations in the US. Environ Syst Decis 36: 92–103
3. Keller M (2016) Umwelteffekte, Sozialverträglichkeit & Nutzerstruktur von Pflanzendrinks. Ernährungs Umschau 63(7): M420–M421

1 => Kommentar zur Studie von TOM et al. in Ernährungs Umschau 4/2016, S. M195.



Antwort des Verfassers

Eine Bewertung der Umwelteffekte von Lebensmitteln anhand einer komplexen Nährstoffmatrix wäre sicher ein interessanter Ansatz, doch stellt sich die Frage, welchen Nutzen er bringt. Wie soll bspw. der Vitamin-C-Gehalt im Vergleich zum Fettgehalt eines Lebensmittels sinnvoll indexiert werden? Welcher Nährstoff hat (wie viel) mehr „Gewicht“?

Sinnvoll und wichtig ist der Vergleich der Umweltwirkungen auf gleicher Energiebasis, wenn verschiedene Ernährungsmuster verglichen werden, so wie das bspw. HOECKSTRA beim Wasserfußabdruck von Mischkost und vegetarischer Kost berechnet hat [1]. Im Übrigen zeigt die von Dr. ZIMMERMANN zitierte Arbeit von TOM et al. [2, dort Abb. 2] gerade nicht, dass ein höherer Energiegehalt eines Lebensmittels mit einem erhöhten Energieeinsatz verbunden ist, im Gegenteil. So erfordert bspw. die Warengruppe Gemüse (niedriger durchschnittlicher Energiegehalt) einen mehr als doppelt so hohen Energieaufwand pro Kalorie wie die Warengruppe Fleisch (hoher durchschnittlicher Energiegehalt). Und die Warengruppe Nüsse (mit einem sehr hohen durchschnittlichen Energiegehalt) ist von allen Lebensmittelgruppen die energieeffizienteste (wenig Input ergibt viel Output).

Dr. Markus Keller, Biebertal/Gießen

Literatur:
1. Hoekstra AY (2012) The hidden water resource use behind meat and dairy. Anim Front 2 (2)
2. Tom MS et al. (2016) Energy use, blue water footprint, and greenhouse gas emissions for current food consumption patterns and dietary recommendations in the US. Environ Syst Decis 36: 92–103



Kommentar der Redaktion:

(umk) Die Öko-Bilanzierung von Lebensmitteln ist ein wichtiges und sehr spannendes Feld. Wir haben dieses Thema auch zu anderen Lebensmitteln schon mehrfach aufgegriffen. Die Einwände von Dr. ZIMMERMANN und SCHILD hinsichtlich der Bezugsgrößen (aber auch der Systemgrenzen) sind sicherlich gerechtfertigt, v. a. mit Blick auf den Gesamtvergleich. Den Verbraucher interessiert allerdings durchaus auch, wie die Umweltbilanz von 1 Liter Milch einzuschätzen ist (einer speziellen Herstellungsweise) im Vergleich zu 1 L XYZ-Drink. Denn nicht immer wird ein Getränk gezielt zur Zufuhr einer bestimmten Nährstoff- oder Energiemenge konsumiert. Manchmal möchte man z. B. einfach ein Glas „Milch“ trinken, damit einen Shake mixen oder eine Sauce anrühren. Von daher hat die vereinfachte Darstellung sicher auch ihre Berechtigung.



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Diese Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 09/16 auf Seite M498.

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