Nachhaltige Ernährung: Policy Brief Ernährungssicherheit

Eine Gruppe von WissenschaftlerInnen unter Federführung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) hat in einem Policy Brief zum Thema Ernährungssicherheit Politikempfehlungen für Deutschland veröffentlicht. Sie erklären, dass eine Wende hin zu mehr pflanzlichen und weniger tierischen Lebensmitteln nötig ist, um die Welternährung zu sichern. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat eine Verknappung mancher Agrarprodukte sowie von mit Gas hergestelltem Mineraldünger ausgelöst. Folge ist ein Preisanstieg bei Lebensmitteln. Gleichzeitig bedrohen mit der zunehmenden Klimakrise Dürren und Sturzfluten die Ernten weltweit. Die Forschenden zeigen die Zusammenhänge auf – und machen konkrete Empfehlungen, wie eine Ernährungswende eingeleitet werden könnte.

Während weltweit rund 80 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche für die Produktion tierischer Lebensmittel genutzt wird, tragen diese nur zu 18 % der globalen Kalorienversorgung bei. Wenn ein größerer Teil der Ackerflächen für die Erzeugung von Lebensmitteln statt Tierfutter genutzt würde, ließe sich das Angebot von Lebensmitteln rasch und nachhaltig ausweiten und Preisanstiege und Hunger vermindern. Weniger Flächenverbrauch für die Landwirtschaft könnte zugleich das Artensterben reduzieren. Zudem führt die Erzeugung tierischer Lebensmittel zu einem erheblichen Ausstoß von Treibhausgasen und damit der globalen Erwärmung mit Wetterextremen. Auch hier würde eine Wende hin zu mehr pflanzlicher Ernährung helfen.
Politische Entscheidungen sollten all diese Krisen gemeinsam angehen. Als Zielsetzung für Deutschland sollte dabei ein Ernährungssystem angestrebt werden, welches die planetaren Grenzen einhält und das Erreichen der nachhaltigen Entwicklungsziele gewährleistet. Hierfür benötigt es laut den AutorInnen:

  • Eine deutliche Verminderung des Konsums tierischer Lebensmittel, von derzeit durchschnittlich 55 kg Fleisch pro Person und Jahr auf ca. ein Viertel des aktuellen Niveaus, sowie eine deutliche Reduktion des Milchkonsums.
  • Eine deutliche Steigerung des Konsums gesunder pflanzlicher Lebensmittel (Obst, Gemüse, Vollkorngetreide, Nüsse/Samen und Hülsenfrüchte).
  • Ein Absenken der Nutztierzahlen sowie Ausbau und Diversifizierung des Anbaus pflanzlicher Lebensmittel in Deutschland.

Eine solche Umstellung könnte die Treibhausgasemissionen im Ernährungs- und Agrarsektor um ca. 75 % und weitere negative Umweltauswirkungen reduzieren sowie die vorzeitige Sterblichkeit in Deutschland um bis zu 20 % senken – dies entspricht bis zu 177 000 Todesfällen pro Jahr.

Um auf diese Zielsetzung hinzuarbeiten, schlagen die AutorInnen drei zentrale politische Maßnahmen vor:

  1. Transformationsfonds zur Umstellung der Außer-Haus-Verpflegung und zur Förderung von LandwirtInnen beim Ausbau der Produktion von Hülsenfrüchten, Obst und Gemüse.
  2. Kurzfristige (innerhalb der nächsten 4–6 Monate) Einführung bestimmter wirkungsvoller Entlastungspakete und Lenkungsabgaben für VerbraucherInnen.
  3. Eine Zukunftskommission Ernährung und Landwirtschaft sowie die Kompetenzerweiterung des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz zum Monitoring des Transformationsprozesses.

Literatur
1. Felsenfeld LP, Pörtner LM, Bodirsky BL et al.: Für Ernährungssicherheit und eine lebenswerte Zukunft. Pflanzenbasierte Ernährungsweisen fördern, Produktion und Verbrauch tierischer Lebensmittel reduzieren. Policy Brief. Zenodo: DOI:10.5281/zenodo.7038961.

Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Pressemeldung vom 01.09.2022



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 10/2022 auf Seite M524.

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