Editorial 11/2020: COVID-19 und Adipositas: Risikobewusstsein schaffen

Fragen Sie sich auch, wie COVID-19 – soweit Sie noch nicht davon betroffen waren – wohl bei Ihnen selbst verlaufen könnte? Viele Studien haben inzwischen Daten zu Risikogruppen schwerer Verläufe ausgewertet und viel ist dazu geschrieben worden, dass steigendes Alter sowie „Vorerkrankungen“ zum Risiko beitragen.

Immer wieder meldeten Medien gerade im Frühjahr aber auch kritische Krankheitsverläufe bei „jüngeren“ PatientInnen „ohne“ Vorerkrankungen. Als ein anfangs unterschätzter Risikofaktor (der leider eben nicht als „Vorerkrankung“ gilt) stellte sich hier bereits (schweres) Übergewicht heraus. In der Pressekonferenz zum Adipositas-Kongress am 8. Oktober formulierte Prof. Stefan Engeli (Med. Hochschule Hannover): „Vor allem bei Menschen, die jünger als 50 Jahre sind, scheint Adipositas der wesentliche Risikofaktor für Beatmungspflichtigkeit, schwere Verläufe und eine erhöhte COVID-19 Sterblichkeit zu sein.“1

Dieser Zusammenhang wurde inzwischen in einer ganzen Reihe von Studien aus Intensivstationen in Frankreich, England und Italien, aber auch den USA und China nachgewiesen2, und zwar unabhängig vom Vorhandensein resultierender Erkrankungen wie Diabetes Typ 2 oder Bluthochdruck. Im online-Magazin von Science wird in einem aktuellen Artikel aufgrund weltweiter Studien anschaulich erläutert „Why COVID-19 is more deadly in people with obesity—even if they’re young“.3 Auch alle deutschen überregionalen Nachrichtenmagazine haben bereits über die größere Gefahr berichtet, in der sich stark übergewichtige Menschen befinden, wenn sie wegen COVID-19 im Krankenhaus behandelt werden müssen.4 Wo bleibt also die absolut notwendige Reaktion der Politik und der öffentlichen Gesundheitsaufklärung darauf?

Ein französischer Artikel aus der Pariser Universität Sorbonne2 mahnt: „The French experience with COVID-19 has proven to be a lever for some acceptance of obesity as […] a disease that needs to be taken seriously, both in treatment and research. The pandemic has revealed the need at better integrating obesity into the overall health and research systems in France with dedicated budget.“

Die COVID-19-Pandemie sollte also (nicht nur in Frankreich) ein weiterer Anlass sein, die Versorgung von Menschen mit Adipositas im Sinne einer Krankheit zu verbessern. Es wäre zudem fair, Menschen mit starkem Übergewicht als bei einer COVID-19-Erkrankung gefährdet in die öffentlichen Hinweise und Handreichungen des RKI und der Ministerien explizit mit aufzunehmen, um ihnen bewusst zu machen, sich gut zu schützen.

In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund, schützen Sie sich und diejenigen, für die diese Krankheit lebensbedrohlich werden kann, und helfen Sie denjenigen, deren wirtschaftliche Existenzen durch den neuen „Teil-Shutdown“ bedroht sind.

Ihre
Sabine Schmidt

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1 Engeli S: Adipositas und COVID-19. Impulsvortrag Pressekonferenz zum Adipositas Kongress 2020 der Deutschen Adipositas-Gesellschaft am 8.10.2020. Pressemappe digital.
2 U. a. zitiert in: Clément K et al.: COVID-19: a lever for the recognition of obesity as a disease? The French experience. Obesity 2020; 28(9): 1584–5.
3 Wadman M: Why COVID-19 is more deadly in people with obesity—even if they’re young. www.science mag.org/news/2020/09/why-covid-19-more-deadly-people-obesity-even-if-theyre-young (last accessed on 02 November 2020).
4 U. a.: Warum adipöse Menschen schwerer an COVID-19 erkranken. Zeit online vom 18.08.2020.



Dieses Editorial finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 11/2020 auf Seite M633.

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