Ernährungsmedizin: Ernährung und Schlaganfallrisiko
- 12.11.2020
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Vier von fünf Schlaganfällen sind ischämischer Natur („Hirninfarkt“), d. h. es kommt durch den Verschluss oder die Verengung eines hirnversorgenden Blutgefäßes zur Minderversorgung eines Hirnareals mit Sauerstoff und Nährstoffen. Hämorrhagische Schlaganfälle, auch Hirnblutungen genannt, machen nur etwa einen Anteil von knapp 20 % aus. Das Platzen eines Blutgefäßes im Gehirn führt dazu, dass das dahinterliegende Hirngewebe nicht mehr mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird, außerdem kann das austretende Blut Druck auf das umliegende Hirngewebe ausüben und es zusätzlich schädigen. Ob hämorrhagisch oder ischämisch: Bei einem Schlaganfall kommt es häufig zu neurologischen Ausfällen, wenn nicht sofort gehandelt wird.
Die Studie [1] analysierte u. a. soziodemografische Faktoren, Ernährungsgewohnheiten und Lebensstil von fast 420 000 Menschen in 9 europäischen Ländern. Diese Kohorte wurde in den Jahren 1992 und 2000 im Rahmen der European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC)-Studie rekrutiert. Nach einem mittleren Follow-up von 12,7 Jahren waren 4 281 ischämische und 1 430 hämorrhagische Schlaganfälle aufgetreten. Die demografische Analyse zeigte, dass die Betroffenen insgesamt älter waren als die übrigen StudienteilnehmerInnen, ein etwas höheres Körpergewicht hatten, häufiger starke RaucherInnen gewesen waren und im Durchschnitt auch etwas mehr Alkohol tranken.
Besonders aufschlussreich war die Analyse der Ernährungsgewohnheiten. TeilnehmerInnen, die einen ischämischen Schlaganfall erlitten, hatten mehr rotes und verarbeitetes Fleisch konsumiert, aber weniger Vollkornprodukte, Obst und Gemüse, Nüsse und Samen, auch weniger Käse und Molkereiprodukte. Das höhere Risiko, das durch einen erhöhten Verzehr an rotem und verarbeiteten Fleisch (definiert als > 50 g/Tag) in der multivariaten Analyse beobachtet wurde, verringerte sich, wenn gegen andere Lebensmittel adjustiert wurde. Der negative Effekt des Fleisches konnte also bspw. durch eine vollkornreiche Kost ausgeglichen werden. Die positiven Effekte von Vollkornprodukten, Obst und Gemüse, Nüssen und Samen, Käse und Molkereiprodukten blieben in allen Analysen stabil. „Fazit der Studie in Bezug auf den ischämischen Schlaganfall ist also, dass man sein persönliches Erkrankungsrisiko durch Obst, Gemüse und eine vollkornreiche Kost senken kann“, erklärt Prof. Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). „Auf das Risiko für Hirnblutungen scheinen diese Ernährungsfaktoren hingegen keinen schützenden Einfluss zu haben.“ Denn die vorliegende Auswertung zeigte, dass lediglich der Konsum von Eiern das Risiko für hämorrhagische Schlaganfälle nennenswert erhöhte – das Risiko stieg pro 20 g/Tag um den Faktor 1,25 an –, ansonsten hatte aber kein Ernährungsfaktor einen signifikant schädigenden oder schützenden Effekt.
Wie die StudienautorInnen ausführen, waren die positiven und negativen Effekte, die durch die Ernährung erzielt wurden, wahrscheinlich keine direkten Effekte, sondern blutdruck- und/ oder blutfettvermittelt. Es ist bekannt, dass die Nahrungsmittel, die vor einem ischämischen Schlaganfall schützten, den Blutdruck senken. Rotes und verarbeitetes Fleisch und Eier hingegen erhöhen den Blutdruck sowie das Gesamtcholesterin. „Wir wissen, dass eine gesunde Ernährung den beiden Hauptrisikofaktoren des Schlaganfalls, Hypertonie und Hyperlipidämie, vorbeugt und somit in jedem Fall sinnvoll ist – allerdings bleibt die Frage unbeantwortet, ob z. B. der Konsum von Eiern auch zu mehr Hirnblutungen führt, wenn der Blutdruck und die Fettwerte medikamentös kontrolliert werden, d. h. ob Ernährungsfaktoren zusätzliche, direkte Effekte auf das Schlaganfallrisiko haben“, so das Fazit des DGN-Pressesprechers.
Literatur
1. Tong TYN et al.: The associations of major foods and fibre with risks of ischaemic and haemorrhagic stroke: a prospective study of 418 329 participants in the EPIC cohort across nine European countries. Eur Heart J 2020; 41(28): 2632–40.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e. V., Pressemeldung vom 25.08.2020
Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 11/2020 auf Seite M642.