Ernährungsindustrie: Nahrungsergänzungsmittel: oft zu viel des Guten

31 % der Frauen und 24 % der Männer in Deutschland nehmen regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel ein. Dabei kann eine Überdosierung mit Mikronährstoffen mit Gesundheitsrisiken verbunden sein. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) veröffentlichte daher im Januar 2018 Höchstmengenvorschläge (HMV) für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln. Ob die im deutschen Einzelhandel angebotenen Nahrungsergänzungsmittel die HMV aber tatsächlich einhalten, ist nicht bekannt.

In einer Studie untersuchten nun M. Sc. Maximilian von Lippe, Dr. Stephanie Mosler, Prof. Dr. Petra Lührmann (Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd) und Prof. Dr. Anja Carlsohn (HAW Hamburg) beispielhaft die Einhaltung der HMV in Nahrungsergänzungsmitteln aus dem stationären Einzelhandel [1].

In der Pilotstudie nahmen die WissenschaftlerInnen 106 freiverkäufliche Nahrungsergänzungsmittel – darunter 30 Einzelvitaminpräparate, elf Einzelmineralstoffpräparate, 44 Multivitaminpräparate, 11 Multimineralpräparate und 10 Multivitamin- und Multimineralstoffpräparate – aus einem Reformhaus, einem Supermarkt und zwei Drogerien hinsichtlich ihrer Mikronährstoffdosierungen unter die Lupe. Für die Analysen verglichen sie die Nährstoffangaben auf den Verpackungen der Präparate mit den jeweiligen HMV für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln.

Von 106 Nahrungsergänzungsmitteln hielten rund 48 % die HMV bei allen Nährstoffen ein. Eine Überschreitung der HMV bei mindestens einem Mikronährstoff wiesen 55 Präparate (52 %) auf. Am häufigsten wurde die HMV bei Multivitamin- und Multimineralstoffpräparaten (80 % der Präparate) überschritten. Je nach Mikronährstoff lagen die relativen Abweichungen zwischen 20 % (Kalium) und 700 % (Vitamin B12) des HMV.

„Die Untersuchung zeigt, dass mehr als die Hälfte der untersuchten Nahrungsergänzungsmittel aus dem stationären Einzelhandel die Höchstmengenvorschläge für Vitamine und Mineralstoffe überschreiten. Das ist bedenklich, da mit dem Gebrauch von hoch dosierten Vitamin- und Mineralstoffpräparaten gesundheitliche Risiken einhergehen können, insbesondere wenn diese häufig eingenommen werden“, resümiert Prof. Dr. Petra Lührmann. VerbraucherInnen sollten darum auf die möglichen Risiken hingewiesen werden. „Verbindliche Höchstmengen sowie EU-weite einheitliche Richtlinien für Mikronährstoff- Höchstmengen in Nahrungsergänzungsmitteln könnten daher sinnvoll sein“, so Lührmann.

Literatur:
1. von Lippe M, Mosler S, Lührmann P, Carlsohn A: Mikronährstoffdosierungen in Nahrungsergänzungsmitteln im Vergleich zu den Höchstmengenvorschlägen des Bundesinstituts für Risikobewertung. Aktuelle Ernährungsmedizin 2020; 45(04): 269–75.

Quelle: Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd, Pressemeldung vom 26.08.2020



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 11/2020 auf Seite M640.

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