Reizdarmsyndrom: Anhand der Gene vorhersagen, ob eine Ernährungsumstellung helfen kann
- 12.12.2024
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- Redaktion
Am sog. Reizdarmsyndrom (irritable bowel syndrome, IBS) mit Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung leiden bis zu 10 % der Weltbevölkerung. Die Behandlung des IBS bleibt dabei eine Herausforderung, da die Symptome und das Ansprechen auf diätetische oder pharmakologische Maßnahmen sehr unterschiedlich sind.
IBS-Betroffene bringen ihre Symptome häufig mit dem Verzehr bestimmter Lebensmittel, insb. von Kohlenhydraten, in Verbindung. Der Verzicht auf diese Lebensmittel ist für einige Betroffene eine wirksame Behandlungsoption, aber eben nicht alle ziehen den gleichen Nutzen daraus. Die Nutrigenetik hat aufgezeigt, wie sich Veränderungen in der DNA auf die Art und Weise auswirken können, wie der menschliche Körper Lebensmittel verarbeitet. Ein Beispiel ist die Lactoseintoleranz, bei der der Funktionsverlust des Enzyms Lactase die Verdauung von Milcherzeugnissen behindert.
Ein europäisches Forschungsteam unter Beteiligung von Mitgliedern des Exzellenzclusters Precision Medicine in Chronic Inflammation (PMI) hat nun gezeigt, dass genetische Veränderungen in Enzymen des menschlichen Kohlenhydratabbaus (human carbohydrate-active enzymes, hCAZymes) einen Einfluss darauf haben, wie Menschen mit Reizdarmsyndrom auf eine kohlenhydratreduzierte (low-FODMAP) Ernährung reagieren [1].
Forschungsarbeiten mit Beteiligung des Instituts für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, haben die Rolle der hCAZymes in Bezug auf das IBS untersucht. In einem groß angelegten europäischen Forschungsverbund, dem GenMal-Carb-Konsortium, wurde nun eine Studie mit 250 Betroffenen mit IBS durchgeführt, bei der zwei Behandlungen miteinander verglichen wurden: eine Ernährung mit wenig fermentierbaren Kohlenhydraten (FODMAPs) und die Verabreichung des krampflösenden Medikaments Otiloniumbromid. Von den 196 Betroffenen, die an der low-FODMAP-Ernährung teilnahmen, zeigten diejenigen, die Träger*in eines defekten hCAZyme-Gens waren, eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu den Nicht-Träger*innen. Die Wirkung war besonders ausgeprägt bei Betroffenen mit überwiegend diarrhöischem Reizdarmsyndrom (IBS-D) – sie sprachen sechsmal häufiger auf die Diät an. Im Gegensatz dazu wurde dieser Unterschied bei Patient*innen, die Medikamente erhielten, nicht beobachtet.
„Die hCAZyme-Enzyme haben eine Schlüsselrolle bei der Verdauung von Kohlenhydraten. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass genetische Varianten dieser Enzyme zu kritischen Markern für die Entwicklung personalisierter ernährungsbasierter Behandlungen für das Reizdarmsyndrom werden könnten“, sagt Dr. Britt Sabina Löscher vom IKMB. „In Zukunft könnte also die Kenntnis des hCAZyme-Genotyps in die klinische Praxis einfließen und es den Ärztinnen und Ärzten ermöglichen, im Voraus zu erkennen, welche Patientinnen und Patienten am ehesten von spezifischen Ernährungsmaßnahmen profitieren.“
Literatur
1. Zamfir-Taranu A, Löscher BS, Carbone F, et al.: Functional variation in human CAZyme genes in relation to the efficacy of a carbohydrate-restricted diet in IBS patients. Clin Hepatol Gastroenterol 2024: S1542- 3565(24)00870-X.
Quelle: Exzellenzcluster Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen, Pressemeldung vom 15.10.2024
Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 12/2024 auf den Seiten M688 bis M689.